Studie Kampf gegen die Kilos

Viele Kinder in Europa sind zu dick - mit schlimmen gesundheitlichen Folgen. Die Politik sollte mehr tun im Kampf gegen das Übergewicht.

Von Violetta Kuhn 08.02.2017, 23:01

Brüssel (dpa) l Ein Schokoriegel in der Pause, ein Softdrink nach der Schule und dann ab auf die Couch zum Fernsehen – dass Kinder mit einem solchen Alltag schnell dick werden können, liegt auf der Hand. Doch selbst, wenn Eltern sie zum Sport animieren oder gesund kochen: Es gibt Risikofaktoren für Übergewicht, die Familien nicht in der Hand haben. Das haben Forscher nun in einer großen Langzeitstudie herausgefunden.

„Allein die Appelle ans gesunde Verhalten und ans gesunde Essen, die bringen es nicht“, sagt Wolfgang Ahrens. Der Gesundheitsforscher hat die 1. Family-Studie mit rund 10 000 Kindern zwischen 7 und 17 Jahren in acht europäischen Ländern koordiniert. Er ist überzeugt: Auch die Politik trägt eine Verantwortung für die Gesundheit der Kinder. Heute sollte die Studie in Brüssel vorgestellt werden.

Zuletzt gab es in Deutschland zwar ermutigende Nachrichten: Der Anteil übergewichtiger Kinder bei der Einschulung sei in den vergangenen Jahren gesunken, ermittelte die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE). Das sei vor allem der gestiegenen Sensibilität der Familien für die Ernährung zu verdanken.

Aber es bleibt dabei: Zu viele Kinder in Deutschland sind zu dick, je nach Bundesland zwischen 8,2 und 12 Prozent, so die DGE. Insgesamt belegt Deutschland mehreren Studien zufolge einen Platz im europäischen Mittelfeld. Generell gilt: Je weiter man sich in Europa Richtung Süden bewegt, desto mehr dicke Kinder gibt es.

Besonders in Gefahr sind der 1. Family-Studie zufolge Jungen und Mädchen aus sozial schwachen Familien – über alle Ländergrenzen hinweg. Die Forscher stellten in der Langzeitstudie fest: Nach sechs Jahren waren anfangs schlanke Kinder von Eltern mit niedrigem oder mittlerem Bildungsstand doppelt so häufig übergewichtig wie solche, die in Familien mit höherem Ausbildungsniveau lebten. „Es bleibt dabei, dass insbesondere Bildung ein dominanter Einflussfaktor ist“, sagt Ahrens.

Weniger gebildete Eltern achteten in der Regel seltener auf gesunde Ernährung, stellten seltener Regeln für Süßigkeiten und Sport auf. Und: Sie seien weniger kritisch gegenüber TV-Reklame. „Deren Kinder sind Einflüssen der Werbung schutzlos ausgeliefert“, sagt Ahrens. Er fordert eine stärkere Reglementierung von speziell auf Kinder zugeschnittener Reklame. Die freiwilligen Selbstverpflichtungen für verantwortungsvollere Werbung seitens der Industrie wirkten nicht. Eine Kritik, die die Verbraucherorganisation Foodwatch teilt.

Dabei beeinflusst Werbung das Essverhalten von Kindern stark, wie die Forscher in ihrer Studie belegen. Kinder greifen demnach häufiger zu Softdrinks und süßen oder fetten Speisen, wenn sie zuvor Werbung angeschaut haben – und zwar auch dann, wenn ihre Eltern das eigentlich verbieten. Und sie essen sogar Snacks, die sie eigentlich nicht mögen, bloß weil sie Werbung dafür gesehen haben.

Ein weiteres Arbeitsfeld für die Politik: Es müsse endlich durchgesetzt werden, dass in Schulen gesundes Essen auf den Tisch komme, sagt Ahrens.