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Terror Gedenkfeier für die Opfer von Hanau

Ein „Anschlag auf unsere Freiheit“ - so bezeichnet Bundespräsident Steinmeier beim zentralen Gedenkakt in Hanau den Anschlag Mitte Februar.

04.03.2020, 23:01

Hanau (dpa) l Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat nach dem rassistisch motivierten Anschlag von Hanau die gesamte Gesellschaft zur Verteidigung der Demokratie aufgerufen. Zugleich forderte er beim zentralen Gedenkakt am Mittwoch in Hanau den Staat auf, mehr dafür zu tun, dass alle Menschen in Deutschland sicher seien. Er nannte den Anschlag mit zehn Todesopfern einen „Anschlag auf den gesellschaftlichen Frieden“ in Deutschland. Die Angehörigen der Opfer lud Steinmeier in seinen Kondolenzschreiben zu einem späteren Treffen nach Berlin ein.

„Unsere Grundwerte, unsere Freiheit, unser Frieden – sie sind ohne uns nicht gesichert“, mahnte Steinmeier. „Demokratie lebt nicht, weil das Grundgesetz sie verordnet. Sie lebt und bleibt, wenn wir sie wollen und uns in ihr engagieren – gegen die, die sie in Frage stellen oder bekämpfen. Wir müssen sie aktiv verteidigen. Wir. Der Staat. Ich.“ Als Bundespräsident habe er eine klare Botschaft: „Jeder Mensch, der in unserem gemeinsamen Land lebt, muss in Sicherheit und Frieden leben können. Unser Staat hat die Pflicht, dieses Recht zu schützen. Dafür muss er mehr tun. Dafür muss er alles tun.“

Bei dem Anschlag hatte ein 43-jähriger Deutscher am Abend des 19. Februar neun Menschen mit ausländischen Wurzeln erschossen. Weitere Menschen wurden verletzt. Der Sportschütze soll auch seine Mutter getötet haben, bevor er sich selbst das Leben nahm. Nach bisherigen Erkenntnissen hatte der mutmaßliche Täter eine rassistische Gesinnung und war psychisch krank.

Steinmeier nannte den Angriff nach dem vorab veröffentlichten Redetext unter anderem einen „Anschlag auf uns alle“, einen „Anschlag auf unser Grundverständnis vom Zusammenleben“ und einen „Anschlag auf unsere Freiheit“. Alle müssten solchen Anschlägen entgegentreten. „Die ganz große Mehrheit der Menschen in Deutschland ist gegen Ausgrenzung und Ressentiments, gegen Hass und Gewalt. Aber es reicht nicht, zu wissen, dass man in der Mehrheit ist. Das Schweigen der Vielen darf nicht zur Ermutigung Weniger werden. Nein, die Mehrheit muss sich zeigen, immer wieder, im Verein, am Stammtisch, im Fußballstadion.“

Das Verbrechen habe eine „Vorgeschichte“, sagte Steinmeier. „Eine Vorgeschichte der Ausgrenzung und Diskriminierung von Menschen mit Migrationsgeschichte, von Muslimen, von angeblich Fremden. Eine Vorgeschichte geistiger Brandstiftung und Stimmungsmache. Eine Vorgeschichte des Hasses, der sich in den sogenannten sozialen Medien, aber längst nicht nur da, schonungslos über seine Opfer ergießt.“ In diesem Klima würden die Hetzer immer schamloser, agierten immer offener, versteckten sich nicht mehr. „Es ist dieses Klima, in dem Terroristen zur Waffe greifen, sich gerechtfertigt fühlen zu morden.“

Der Bundespräsident räumte ein: „Ja, es gibt Rassismus in unserem Land – und das nicht erst seit einigen Wochen. Ja, es gibt weit verbreitete Muslimfeindlichkeit.“ Menschen mit dunklerer Hautfarbe oder mit Kopftuch erlebten Diskriminierungen, würden Opfer von Angriffen, von Beleidigungen und von Gewalt. Sie alle hätten ein Recht darauf, dass ihre Mitbürger Anteil nähmen, widersprächen und eingriffen. Sie alle hätten ein Recht darauf, dass ihr Staat hinsehe, verfolge, bestrafe. „Sie alle haben das Recht auf einen Staat, der sie schützt.“