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Verkehrsgericht Neue Regeln für Ältere und Straftäter

Der Verkehrsgerichtstag in Goslar hat Empfehlungen zum geplanten Fahrverbot für Straftäter und mehr Polizei-Überwachung abgegeben.

27.01.2017, 19:35

Goslar (dpa) l Der 55. Deutsche Verkehrsgerichtstag (VGT) hat zum Thema Verkehrs ein Bündel von Maßnahmen vorgeschlagen. An der traditionsreichen, jährlichen Tagung nahmen rund 2000 Juristen, Wissenschaftler und Verkehrsexperten teil. Der VGT endete am Freitag unter anderem mit diesen Empfehlungen an den Gesetzgeber:

RADVERKEHR: In Deutschland sollten für den zunehmenden Radverkehr überall durchgehende Verkehrsnetze geschaffen werden. Die Infrastruktur für Radfahrer solle "generell einfach, selbsterklärend und sicher" gestaltet werden und den Standards der Forschungsgesellschaft für Straßenbau- und Verkehrswesen entsprechen. Der VGT fordert zudem speziell ausgebildete und ausgerüstete Fahrrad-Staffeln der Polizei für Städte mit nennenswertem Fahrradverkehr. Dies würde zu mehr Akzeptanz der Verkehrsregeln bei Rad- und Kraftfahrern führen. Außerdem solle sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene dafür einsetzen, dass Kraftfahrzeuge künftig mit Fahrassistenten ausgerüstet werden, die Kollisionen mit Fahrradfahrern zu verhindern helfen, etwa Abbiegeassistenten bei Lkw oder Notbremsassistenten bei Autos.

VERKEHRSÜBERWACHUNG: Die Polizei soll sich wieder mehr um die Verkehrssicherheit und die Verhinderung von Unfällen kümmern. Dazu sollten die Beamten nach Vorstellung des VGT nicht nur auf der Straße wieder sichtbarer werden, sondern vor allem den Verkehr wieder mehr überwachen. Tempomessungen durch Privatfirmen erteilten die Experten dabei eine Absage. "Die Herrschaft über Geschwindigkeits- und Abstandsmessung" dürfe aus rechtlichen Gründen ebenso wenig auf Privatfirmen übertragen werden wie Messauswertungen oder Ermittlungen, die zu Sanktionen für Verkehrsteilnehmer führen können.

FAHRVERBOT FÜR STRAFTÄTER: Das von der Bundesregierung geplante Fahrverbot für Delikte außerhalb des Straßenverkehrs lehnt der VGT ab. Dafür gebe es keinen Bedarf. Das Bundeskabinett hatte kurz vor Weihnachten einen Gesetzentwurf von Justizminister Heiko Maas (SPD) beschlossen, wonach Straftäter künftig auch den Entzug ihres Führerscheins fürchten müssen. Fahrverbote von bis zu sechs Monaten sollen als neue mögliche Sanktion künftig für alle Straftaten verhängt werden können. Dies würde nach Überzeugung des VGT aber zu einer Ungleichbehandlung von Personen mit und ohne Fahrerlaubnis führen. Die Gerichte sollten vielmehr "das Potenzial der Geldstrafe" ausschöpfen, indem die Vermögensverhältnisse von Straftätern gründlich ermittelt werden.

SENIOREN IM STRAßENVERKEHR: Für ältere Autofahrer sollte es vorerst keine verbindlichen Fahreignungstests geben. Es gebe zwar Hinweise darauf, dass ältere Menschen als Kraftfahrer ein zunehmendes Risiko für die Sicherheit im Straßenverkehr darstellen. Es fehle aber noch die Datengrundlage zur Risikoabschätzung. Bis dahin seien Senioren aufgerufen, selbst zu prüfen, ob sie noch Autofahren können. Denkbar seien zum Beispiel Fahrten, bei denen ein Fahrlehrer oder Psychologe die Fahreignung auf freiwilliger Basis einschätzt.

UNFALLURSACHE SMARTPHONE: Die Nutzung von Smartphones und anderen elektronischen Geräten während der Fahrt soll nach dem Willen des VGT "gesellschaftlich geächtet" werden. Denn die Gefahren durch Ablenkung würden allgemein unterschätzt. Als Gegenmaßnahmen empfiehlt der VGT die Einbeziehung des Themas in die schulische Verkehrserziehung, Aufklärungskampagnen und technische Lösungen, die die Nutzung von Kommunikations-, Informations- und Unterhaltungsmedien durch Fahrer unterbinden. Wer wiederholt bei der Nutzung erwischt wird, sollte zusätzlich zum Bußgeld ein Fahrverbot erhalten und zu einer Schulungsmaßnahme verpflichtet werden.

ABGAS-SKANDAL: Für Käufer der vom Abgas-Skandal betroffenen Fahrzeuge soll es nach dem Vorschlag des VGT eine sogenannte Musterfeststellungsklage geben. Betroffene sollen sich diesem Verfahren weitgehend kostenlos anschließen können. Im Vorfeld des Verkehrsgerichtstags hatten Experten beklagt, dass es sich unterscheidende Urteile deutscher Gerichte zu möglichen Schadensersatzansprüchen gegen Hersteller oder Händler gibt. Dies habe zu großer Unsicherheit der Verbraucher geführt, zumal es bei Einzelklagen ein hohes Prozesskostenrisiko gebe.