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Zoo Berlin Zukunftspläne für Pandas und Eisbärbaby

Mit den Pandas im Zoo und dem kleinen Eisbären im Tierpark haben beide Tiergärten Berlins Publikumsmagneten.

Von Ulrike von Leszczynski 31.12.2017, 09:52

Berlin (dpa) l Manchmal fühlt sich Andreas Knieriem wie im New Yorker Central Park. Die Hochhäuser, die hinter den Bäumen des Berliner Zoos aufragen, diese Silhouette, das ergibt für ihn neue Sichtachsen mitten in der Hauptstadt. Die Moderne passt zu den Zukunftsplänen, die Knieriem als Direktor des Zoologischen Gartens und des Tierparks im Osten der Stadt mit Hartnäckigkeit verfolgt: Er will die beiden angestaubte Tiergärten fit für die Zukunft machen – für Berliner und Touristen. Sein Aushängeschild ist das neue Panda-Gehege im Zoo. 2018 soll sich das Raubtierhaus im Tierpark in ein Regenwaldhaus verwandeln.

Es scheint, als wollten die Zootiere mithelfen, Knieriems Ideen zu befeuern. Im Tierpark hat Eisbärin Tonja Anfang Dezember wieder ein Junges bekommen. Das heißt für Veterinäre und Pfleger, sich zurückzunehmen. Tonjas Reich betritt zur Zeit ganz bewusst niemand. Einen zweiten Eisbären "Knut", der mit der Flasche aufgezogen wurde, will Knieriem auf keinen Fall. Und Arten, bei denen Nachwuchs nicht ins Zuchtkonzept passt, bekommen die Pille. "Wildtiere sind nicht streng katholisch", sagt er schmunzelnd zu diesem Kapitel.

Vom drei Wochen alten quiekenden und schmatzenden Mini-Eisbären gibt es Videos aus der Überwachungskamera im Internet zu sehen. Erst wuchs ihm ein weißes Fell, mittlerweile hat das Jungtier seine schwarzen Knopfaugen geöffnet. "Unsere Eisbären als sympathische Botschafter einzusetzen ist für uns kein Spagat", sagt Tierpark-Sprecherin Philine Hachmeister. "In diesen emotionalen Begegnungen mit der Natur liegt die große Chance der Zoos, ihre Botschaften von Arten- und Klimaschutz an ihr Publikum zu vermitteln." Wer sich mit der liebevollen Eisbärenmutter Tonja beschäftigt, kann auch lernen, dass es für ihre Artgenossinnen in der Arktis mit schwindendem Packeis immer schwieriger wird, ihre Jungen durchzubringen.

Im Zoo ziehen die Panda-Bären Meng Meng und Jiao Qing seit dem Sommer jeden Tag eine Bambus-Mampf-Schau ab als würden sie dafür bezahlt. "Wir haben die beiden da aber nicht angetackert", sagt Knieriem. "Das machen sie freiwillig." Die Gelassenheit der Bären mag auch an ihrer zehn Millionen Euro teuren Luxus-Herberge liegen, in der sich Ideen zeitgemäßer Tierhaltung widerspiegeln: großzügige Gehege mit geschützten Rückzugsräumen, Auslauf drinnen und draußen, Glas statt Gitter, Landschaft statt Beton – und ohne den Hygienewahn von früher.

"Toilettencharme" sagt Knieriem mit Blick auf das benachbarte Raubtierhaus im Zoo, in dem Tiere noch immer in gefliesten Behausungen wie in Gefängniszellen leben. "Wir machen es unseren Kritikern leicht", seufzt der Direktor. Doch es lasse sich nicht alles sofort ändern.

Knieriem ist Mitte 50 und Zoo-Entwickler mit Leidenschaft. Zuerst hat er den Zoo Hannover mit neu erfunden, dann leitete er Hellabrunn in München. 2014 entschied er sich für Berlin. Zoo und Tierpark nutzen nun sein Wissen als Tierarzt, seine Eloquenz und sein kaufmännisches Händchen. Knieriem bewies im August wie sich die Pandadiplomatie von Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem chinesischen Ministerpräsidenten als bundesweite PR-Aktion für den Zoo ausweiten ließ: Vor dem Gehege gab es wochenlang Besucherschlangen.

Sein Zukunftskonzept heißt aber auch: weniger ist mehr. Weniger Tiere, die künftig im Tierpark nach einem geologischen Prinzip zu sehen sein sollen: Nachbarn, die sich auch in freier Wildbahn begegnen würden. Im umgebauten Alfred-Brehm-Haus sollen Besucher später in die tropische Welt südostasiatischer Inseln eintauchen, um einen Einblick in den Lebensraum von Sumatra-Tiger, Java-Leopard und Baumkänguru zu bekommen – Kostenpunkt sechs Millionen Euro. Das ist keine reine Berliner Idee. "Der Trend geht dahin, nicht mehr einzelne Tierarten zu zeigen, sondern Ökosysteme mit mehreren Arten", sagt Julia Kögler vom Verband der Zoologischen Gärten.

Das Elefantenhaus im Tierpark soll sich ab Ende 2019 für 20 Millionen Euro in eine afrikanische Savannenlandschaft verwandeln. Das klingt ambitioniert. Denn anders als der Zoo, der sich als Aktiengesellschaft und mit mehr als drei Millionen Besuchern im Jahr selbst trägt, hatte der Tierpark 2016 nur 1,3 Millionen Gäste und war auf einen Sechs-Millionen-Euro-Zuschuss vom Land angewiesen. Überlebt das Eisbär-Baby, könnten sich die Kassen ab Frühjahr durch steigenden Besucherzahlen füllen.

Für den Zoo passt das Geo-Konzept nicht, da große Teile unter Denkmalschutz stehen. Hier sollen nach Knieriems Plänen auch weiter Zebraarten nebeneinander zu sehen sein und alle Affen in einem Haus leben, selbst wenn sie von unterschiedlichen Kontinenten stammen. Grundsätzlich versuchen die Planer, Überschneidungen von Arten in Zoo und Tierpark zu vermeiden, um beide Tiergärten attraktiv zu machen. Langfristig werden im Zoo beispielsweise die Asiatischen Elefanten zu sehen sein und im Tierpark die Afrikanischen. Ein Entscheidungskriterium für Arten sind auch ihr Bedrohungsstatus nach der Roten Liste und die Europäischen Erhaltungszuchtprogramme.

All jenen, die Zootierhaltung für Freiheitsberaubung halten, erläutert der Direktor seine Sicht der Dinge. "In der Wildnis sieht man die Zäune nur nicht. Man sieht nicht den Giraffenbullen, der sein Revier und sein Wasserloch immer wieder neu verteidigen muss." Der Großstadtmensch habe verdrängt, dass es in der Natur zuerst heiße: Was kann ich heute fressen und vom wem könnte ich gefressen werden. Für Knieriem ist die Natur in vielen Köpfen ein zu romantischer Ort geworden. "Ist sie aber nicht", ergänzt er. Und auch in Tiergärten ist die Welt nicht völlig heil. Im März starb Tonjas erstes Eisbärbaby "Fritz". Wissenschaftler haben die Ursache bis heute nicht herausgefunden.