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Istanbul-Attentat „Anschlag gegen die Menschlichkeit“

Wollte der Selbstmordattentäter von Istanbul gezielt Deutsche treffen? Die Bundesregierung hat darauf keine Hinweise.

13.01.2016, 23:01

Istanbul (dpa) l Alle zehn Todesopfer des Terroranschlags von Istanbul sind Deutsche. Noch sieben weitere Bundesbürger seien in Krankenhäusern in Istanbul, fünf von ihnen auf der Intensivstation, teilte das Auswärtige Amt am Mittwoch mit. Außerdem gebe es drei Leichtverletzte. „Nach bisherigem Ermittlungsstand liegen keine Hinweise darauf vor, dass der Anschlag gezielt gegen Deutsche gerichtet war“, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) in Istanbul. Der syrische Selbstmordattentäter war einem türkischen Medienbericht zufolge wenige Tage vor dem Anschlag als Flüchtling registriert worden. In der kommenden Woche soll in Berlin bei deutsch-türkischen Regierungskonsultationen über die Lage beraten werden.

De Maizières türkischer Amtskollege Efkan Ala sagte, im Zuge der Ermittlungen nach dem Anschlag sei am Dienstagabend ein Verdächtiger festgenommen worden. Die türkische Regierung hat die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) für die Tat verantwortlich gemacht, die sich bislang nicht dazu bekannt hat.

Der Attentäter hatte sich am Dienstag inmitten einer deutschen Reisegruppe in die Luft gesprengt. Dabei verloren zehn deutsche Touristen das Leben. Ala sagte, insgesamt würden elf Verletzte noch in Krankenhäusern behandelt, darunter auch ein Norweger und ein Peruaner.

Über das Wann und Wie einer Rückführung der Toten und Verletzten nach Deutschland ist noch nicht entschieden. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums ist die Bundeswehr dazu „bereit und in der Lage“. Inzwischen befinden sich vier Beamte des Bundeskriminalamts BKA zur Unterstützung der Ermittlungen in Istanbul. Auch ein Kriseninterventionsteam des Auswärtigen Amts ist in die türkische Metropole gereist. Die betroffene Reisegruppe eines Berliner Veranstalters wird von Seelsorgern betreut. Die Gruppe mit 33 Mitgliedern war auf einer Drei-Länder-Erlebnisreise, die Reisenden kamen aus dem gesamten Bundesgebiet.

De Maizière betonte trotz des Anschlags: „Ich sehe keinen Grund, von Reisen in die Türkei abzusehen.“ Man dürfe dem Terror nicht nachgeben. „Wir wollen unser Verhalten, unser Leben nicht verändern. Wir werden vor dem Terrorismus nicht zurückweichen.“ De Maizière fügte hinzu: „Ich bin zutiefst erschüttert über den Anschlag von gestern. Das war ein Anschlag gegen die Menschlichkeit.“

Er kündigte an, Deutschland und die Türkei wollten ihre Zusammenarbeit im Kampf gegen Terrorismus verstärken. „In der nächsten Woche wird nicht nur mein türkischer Kollege nach Berlin kommen, sondern die Spitze der Regierung zu deutsch-türkischen Regierungskonsultationen“, sagte er. „Wenn die Terroristen zum Ziel gehabt haben sollten, die Zusammenarbeit von Partnern zu stören, zu zerstören oder zu gefährden, dann haben sie das Gegenteil erreicht. Deutschland und die Türkei rücken noch enger zusammen.“

„Der Anschlag galt Deutschland und der Türkei“, erklärte der Vorsitzende des Zentralrates der Muslime in Deutschland (ZMD), Aiman Mazyek. „Lassen wir nicht zu, dass die Saat des Hasses und der Niederträchtigkeit zwischen unsere Völker gerät.“

Der Bundesinnenminister und der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu besuchten am Mittwoch Verletzte. Anschließend fuhren beide zum Anschlagsort in der Nähe der Blauen Moschee im Altstadtviertel Sultanahmet. Dort legten der Minister und der Regierungschef rote Nelken nieder, die in der Türkei ein Ausdruck der Trauer sind.