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Moskau-Reise Seehofer als Strauß-Verschnitt

Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer fliegt am Mittwoch nach Moskau. Die Reise vertieft die Kluft in der Berliner Koalition.

Von Steffen Honig 03.02.2016, 00:01

Magdeburg I Moskau, 28. Dezember 1987. Auf dem Flughafen Scheremetjewo geht bei schwierigsten Wetterbedingungen eine deutsche Cessna nieder. Am Steuer sitzt der bayerische Ministerpräsident und Hobby-Pilot Franz-Josef Strauß, hinter ihm die halbe CSU-Führungsspitze. Strauß will den sowjetischen Reformer Michail Gorbatschow persönlich kennenlernen. Als er die Einladung bekommt, setzt er sich kurz entschlossen ins Flugzeug seines Freundes Josef Merz, Fleischgroßhändler aus Rosenheim. Eine spektakuläre Aktion in einer Welt im Umbruch.

Der aktuelle bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer lässt sich in die heutige russische Hauptstadt fliegen. Es gibt viel zu reden mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Das deutsch-russische Verhältnis ist schwierig geworden.

Belastet wird es durch den Ukraine-Krieg und die daraus folgenden Sanktionen der Europäischen Union, den Syrien-Krieg und die daraus folgende Flüchtlingskrise in Europa oder zuletzt die Affäre um die vorgebliche Entführung eines russlanddeutschen Mädchens in Berlin.

Für die Außenpolitik gibt es in Deutschland eine klare Regelung. Dafür ist die Bundesregierung zuständig, nicht ein einzelnes Bundesland. Zwar ist es das gute Recht eines Länderchefs, Kontakte zu anderen Staaten zu pflegen. Doch ausgerechnet jetzt drängelt sich der Bayer vor. Das ärgert insbesondere das Kanzleramt und das Außenministerium.

Und die Schwesterpartei CDU, wo auf das Bestreben Putins verwiesen wird, die EU zu spalten und dafür in Deutschland rechtsradikale Kräfte und stärken.

Streit zwischen den Schwesterparteien provozierte einst auch Franz-Josef Strauß („Es ist mir egal, wer unter mir Bundeskanzler wird“) . Seine Volten waren legendär. So fädelte der Erz-Antikommunist Strauß am damaligen CDU-Kanzler Helmut Kohl vorbei den Milliardenkredit für die finanziell schwer angeschlagene DDR ein.

In ähnlicher Rolle findet sich Seehofer wieder. Lag er früher mit den Partnern CDU und SPD in der Regierung meist wegen innenpolitischer Themen über Kreuz (Pkw-Maut, Betreuungsgeld), hat sich der Fokus seit dem vergangenen Sommer verschoben. Ursache ist die Flüchtlingskrise. Der bayerische Regierungschef, dessen Bundesland am stärksten vom Flüchtlingsansturm betroffen war, mutierte zum Außenpolitiker. Seehofer empfing den stramm flüchtlingsfeindlichen ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban. Der auf einen EU-Umbau in seinem Sinne dringende britische Premier David Cameron war Gast der CSU-Klausur in Kreuth.

Nun beteuert aber auch die Bundesregierung, dass die Gesprächsfäden zu Moskau nicht abreißen dürften. Ein stichhaltiges Argument dafür ist das Atom-Abkommen mit dem Iran, dass ohne die Kooperation des Westens mit Russland nicht zustande gekommen wäre.

Nicht zuletzt sind es die wirtschaftlichen Interessen des Freistaates, die den Ministerpräsidenten antreiben. Immerhin hat das Handelsvolumen zwischen Russland und Bayern einen Umfang von rund zehn Milliarden Euro. Seehofer sind die Sanktionen gegen Russland schon lange ein Dorn im Auge. Er hofft auf eine baldige Aufhebung der Beschränkungen: „Sanktionen lösen viele Probleme auf dieser Erde nicht.“ Voraussetzung wären Fortschritte bei der Befriedung der Ukraine. Sollte Seehofer hier etwas erreichen, wäre auch die Kanzlerin nicht böse.