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DDR-Geschichte Honeckers Ehe mit einer Gefängniswärterin

Eine neue Biografie beschreibt vor allem die frühen Jahre des späteren DDR-Staatsoberhaupts. Darunter sind auch neue Erkenntnisse.

Von Jutta Schütz, dpa 16.10.2016, 23:01

Berlin l Im Dezember 1946 heiratete Erich Honecker eine frühere Gefängnis-Wachtmeisterin. Doch bis zu seinem Tod hielt der spätere erste Mann im DDR-Staat das geheim. War es ihm peinlich oder passte sie nicht ins sozialistische Bild – die Ehe mit einer Frau, die während des Nationalsozialismus eingesperrte Regimegegner bewachte und somit auf der anderen Seite stand? Die Ehe währte nicht lange, die Gattin starb.

Der Historiker Martin Sabrow hat in seinem neuen Buch über die Jugendjahre von Erich Honecker herausgearbeitet, dass die Wärterin im Berliner Frauengefängnis Barnimstraße Honecker kurz vor Kriegsende kennenlernte. Dorthin musste der Zuchthaus-Sträfling mit der Nummer 523/37 zu Außenarbeiten anrücken. Das Gefängnis war Zwischenstation für weibliche Opfer des NS-Justizterrors, bevor sie in die Berliner Hinrichtungsstätte Plötzensee gebracht wurden.

Bei der Wärterin hatte Honecker auch nach seiner planlosen Flucht in den letzten Kriegstagen Unterschlupf gefunden, bevor er sich wieder stellte. Wie durch ein Wunder kam der überzeugte Kommunist ohne Zusatzstrafe ins Zuchthaus Brandenburg-Görden zurück, das wenig später von der Roten Armee befreit wurde.

Der berüchtigte Volksgerichtshof hatte den jungen Honecker 1937 wegen Hochverrats zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt. In der Haft habe sich sein Lavieren zwischen den Seiten als erfolgreiche Überlebensstrategie erwiesen, fasst der Autor seine Recherchen zusammen.

In der DDR-Geschichtsschreibung wird die Zuchthaus-Zeit des späteren SED-Generalsekretärs und Staatsoberhauptes nicht so konkret dargestellt. „Standhaft und unerschrocken vertrat er seine kommunistische Weltanschauung“, wird vermerkt. Etliche Details der Biografie wurden verändert oder weggelassen. So sei aus dem eher kleinbürgerlichen Elternhaus ein klassisch proletarisches geworden, Honecker als gelernter Dachdecker präsentiert, obwohl er seine Lehre abgebrochen hatte, ist zu lesen. Das Buch beleuchtet die Jahre von Honeckers Geburtsjahr 1912 bis 1945.

Sabrow, Direktor des Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam, gibt überraschende Einblicke in das Leben des Spitzenfunktionärs, der an seinen einfachen Überzeugungen bis zum Schluss festhielt. Der 62-jährige Autor versteht seine differenzierte Beschreibung als „Legendenkritik“. Er habe den „Heiligenschein“ von Honeckers Leben gegen die „Blässe der biografischen Wirklichkeit“ gehalten. Eine offiziell von Honecker verfasste Biografie mit dem Titel „Aus meinem Leben“ war 1980 in der DDR herausgekommen.

Vor 27 Jahren, am 18. Oktober 1989, trat Honecker von allen Ämtern zurück. Kurz vor dem Mauerfall hatten die eigenen Genossen den damals 77-Jährigen gezwungen, seinen Rückzug aus gesundheitlichen Gründen noch selbst zu verlesen. Der schwer Kranke starb 1994 im chilenischen Exil. Ein Prozess wegen der Verantwortung für die Mauertoten war zuvor eingestellt worden.

Das in der DDR verbreitete Honecker-Bild sei politisch inszeniert und maßgeschneidert gewesen, schreibt Sabrow. Die Staatssicherheit habe mitgewirkt, Lebensläufe hoher Funktionäre zu glätten. Widersprüche sollten ausgeschlossen werden, um „gegnerische Angriffe“ zu unterbinden. Das MfS (Ministerium für Staatssicherheit) habe einen „Maßnahmeplan“ zur Abdeckung biografischer Schwachstellen entwickelt.

Nach 1989 habe sich herausgestellt, dass Stasi-Chef Erich Mielke auch Unterlagen über die politische Vergangenheit Honeckers persönlich verwahrte, so Akten aus dem Prozess vor dem Volksgerichtshof. Das habe der SED-Chef aber gewusst, fügt Sabrow hinzu.

Honecker selbst habe aus der „modellhaften Makellosigkeit seiner kommunistischen Vita“ einen wesentlichen Teil seiner Legitimation geschöpft, hat der Professor analysiert. Sabrow zeigt, dass die Wirklichkeit oft anders war. So habe Honecker wie ein Grünschnabel in der Illegalität einen Koffer mit konspirativem Material in einem Berliner Taxi vergessen und dem Fahrer noch seine Adresse genannt – wo er dann wenig später festgenommen wurde.

Der Kommunist habe sich so geständnisbereit gezeigt, dass die Untersuchung in nur fünf Tagen abgeschlossen werden konnte, heißt es. Gestützt auf Honeckers Aussagen sei Anklage gegen die Widerstandsgruppe Baum erhoben worden.

Autor Sabrow spricht von einem „biografischen Herrschaftsanspruch“, den die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) einst hatte, und ihrem Willen, das frühere Leben ihrer Kader zu kontrollieren. Doch für die alten Kommunisten sei die NS-Zeit nie tote Vergangenheit gewesen – sie „lebte weiter in ihrem eingefleischten Misstrauen gegenüber einem Volk, das sie einmal mit überwältigender Mehrheit verachtet und verraten hatte“.