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Die Linke Kübelweise Spott für Martin Schulz

Linken-Spitzenkandidatin Wagenknecht übt sich auf dem Parteitag in einem Ton, den man von ihr nicht gewohnt ist.

12.06.2017, 10:12

Hannover (dpa) l Dietmar Bartsch folgt Sahra Wagenknecht in allen Gesten. Die Spitzenkandidatin und Partei-Ikone hat den Parteitag gerade zum Jubeln gebracht, mit einem großen Kübel Spott für die SPD. Nun lässt sie sich auf der Bühne feiern. Der Co-Spitzenkandidat kommt hinzu. Beiden werden Blumen in die Hand gedrückt. Immer wenn Wagenknecht ihren Strauß zum Winken hoch hält, folgt Bartsch mit seinem – lässt sie ihren Arm sinken, nimmt auch er seinen herunter. Ob sie wollen oder nicht: Die Linken schließen sich Wagenknecht an – auch ihrem Rot-Rot-Grün-kritischen Kurs.

Den zementiert Wagenknecht so fest wie kein prominenter Redner. Bartsch bekennt sich dazu, regieren zu wollen – mahnt die Delegierten aber, jetzt nicht lange über diese Frage zu reden. „Wir sollten jetzt um ein starkes Ergebnis kämpfen, um alles andere werden wir später kämpfen“, ruft er den Delegierten zu. Parteichefin Katja Kipping beschwört die Partei, „dass wir uns nicht auf die Oppositionsrolle beschränken sollten“. Der Co-Vorsitzende Bernd Riexinger hämmert die Punkte des umfassenden Programms in den Saal.

Sarah Wagenknecht dagegen greift zu Ironie. Fast wie eine Kabarettistin macht sie sich über die SPD und ihren Kanzlerkandidaten lustig. Der sei ja eine ziemliche Enttäuschung. „Ab und an gibt‘s dann Äußerungen von Martin Schulz, wo man sich auf den ersten Blick sagt: Wow, das hört sich ja gut an“, sagt Wagenknecht. So habe sich Schulz neulich zur EU und zu ökonomischer Vernunft bekannt. „Also dachte ich, Mensch, hab ich dem Schulz doch Unrecht getan.“

Doch dann habe Schulz weitergeredet – und die Vormachtstellung Deutschlands in der EU verteidigt. „Das hätte Schäuble wirklich auch nicht dümmer sagen können.“

Auch Wagenknecht attackiert wie die anderen Linken-Oberen Merkel. Aber Schulz geht sie doch besonders genüsslich an. Rot-Rot-Grün? Nicht zur Verfügung stünden die Linken für eine neoliberale Koalition. „Was wir nicht wollen und was wir nicht machen werden, ist diese Vielfalt von Koalitionsoptionen um eine weitere Variante zu bereichern, die sich dann Rot-Rot-Grün nennt.“

Die Forderungen nach einem Ende der Nato und sämtlicher Bundeswehreinsätze im Ausland bleiben den Linken wichtig, auch wenn sie sie nicht knallhart als Bedingungen fürs Regieren ins Programm schreiben. Wagenknecht wirft SPD und Grünen letztlich Kriegstreiberei vor: „Wenn Ihr wieder zu einer verantwortungsvollen, verlässlichen Außenpolitik zurückfindet, dann könnt Ihr Euch gerne bei uns wieder melden.“

Es erscheint als recht sinnlose Übung, die der Parteitag in stundenlangen Debatten und mit rund 300 Abstimmungen absolviert – im Wahlprogramm keine zu hohe Mauern zu SPD und Grünen hochzuziehen. Und Wagenknecht und Co. haben in den Augen vieler auf dem Parteitag auch recht: Die Umfragen geben eine Mehrheit für ein Linksbündnis bei weitem nicht her. Andere Linke sagen: Nur wenn mögliche Wähler die Hoffnung haben können, dass auch etwas von ihren Wünschen umgesetzt wird, werden sie zur Wahl motiviert.

Zehn Jahre nach ihrer Gründung als gesamtdeutsche Partei nimmt die Linke für sich in Anspruch, Politik für die Mehrheit zu machen. Bei den Steuern verspricht sie Entlastungen für alle, die als Single weniger als 7100 Euro pro Monat verdienen. Niedrige Mieten, günstigere Krankenkassen, bessere Bildung – nur die Reichen sollen sich fürchten müssen. Sie sollen das bezahlen.