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Afghanistan Überraschungsbesuch im Krisengebiet

Bundespräsident Steinmeier bedankt sich bei den Bundeswehrsoldaten in Afghanistan, wo in weiten Teilen ein Bürgerkrieg herrscht.

Von Thomas Lanig und Christine-Felice Röhrs 13.07.2017, 23:01

Kabul (dpa) l Es ist nun wirklich nicht das erste Mal - und doch ganz anders. Sieben Mal hat Frank-Walter Steinmeier als Außenminister Afghanistan besucht, zuletzt im August 2015. Heute sind mindestens drei Dinge neu: Steinmeier kommt als Bundespräsident, er bringt seine Frau Elke Büdenbender mit, und die Sicherheitslage ist noch einmal dramatisch schlechter geworden. Besonders erschreckend hat das ein Bombenanschlag vor der deutschen Botschaft in Kabul am 31. Mai demonstriert. Mehr als 150 Menschen waren damals ums Leben gekommen.

Sechs Wochen ist das nun her, und Steinmeier bringt viele offene Fragen mit nach Afghanistan. Weil die Sicherheit aller Begleiter nicht garantiert werden konnte, flog er am Donnerstag nur mit kleiner Delegation vom deutschen Feldlager in Masar-i-Scharif nach Kabul. Und weil die vor ein paar Jahren noch übliche Autofahrt vom Flughafen in die Innenstadt viel zu gefährlich geworden ist, landete der Bundespräsident mit dem Hubschrauber direkt im Garten des Präsidentenpalastes. Das verwüstete Botschaftsgelände sah er nur vom Helikopter aus.

Steinmeier fragt nach den Bemühungen der afghanischen Regierung um einen „ernsthaften und glaubwürdigen Friedensprozess“ mit den radikalislamischen Taliban. Da ist der gelernte Außenminister am Werk, wenn er Afghanistan deutlich zu mehr eigenen Anstrengungen für die Sicherheit aufruft. Die Präsenz internationaler Truppen könne nie Ersatz sein für eine politische Lösung, sagt er.

Während Steinmeier in Kabul mit dem Präsidenten zusammensitzt, ist seine Frau Elke Büdenbender im Feldlager von Masar unterwegs. Das wirkt heute, im Vergleich zu Zeiten der viel größeren Isaf-Mission, wie ausgestorben. Nur noch rund 800 deutsche Soldaten sind hier stationiert. Büdenbender besucht ein Lazarett und spricht mit Ärzten, trifft eine Seelsorgerin, eine Militärpsychologin, auch zivile Afghanen und zeigt sich engagiert wie nie zuvor auf einer Auslandsreise.

Zurück aus Kabul im Camp Marmal von Masar gedenkt der Bundespräsident der 56 in Afghanistan seit 2002 ums Leben gekommenen Soldaten und der Toten anderer Nationen und spricht mit den heute dort stationierten Männern und Frauen. Für sie hat er zwei Botschaften: Deutschland hat seine Soldaten in Afghanistan nicht vergessen, auch wenn Politikerbesuche selten geworden sind.

Zugleich will er der Truppe versichern, dass sie ungeachtet der Debatte zu Hause über Tradition und Haltung der Bundeswehr weiter hoch geschätzt wird. „Sie stehen hier in Afghanistan für die Werte unseres Grundgesetzes“, sagt er. Die große Mehrheit der Deutschen habe Vertrauen in die Bundeswehr. Die Debatte über die innere Verfassung der Bundeswehr müsse aber nicht gegeneinander, sondern gemeinsam geführt werden. „Armee und Gesellschaft dürfen sich in einer Demokratie niemals fremd werden.“

Steinmeiers Besuch begleitet aber auch die aktuelle Diskussion, ob angesichts der Sicherheitslage noch abgelehnte Asylbewerber nach Afghanistan abgeschoben werden dürfen. Der Kommandeur der deutschen Soldaten in Masar, Brigadegeneral André Bodemann, sagt im Gespräch am Donnerstag, es gebe in Nordafghanistan durchaus Gegenden, „wo man normal wohnen kann“. Als Außenminister hatte Steinmeier die Position der schwarz-roten Bundesregierung mitgetragen, wonach es sehr wohl sichere Gegenden im Land gebe, in die abgelehnte Asylbewerber zurückkehren könnten. Als Bundespräsident lässt er nicht erkennen, dass sich seine Haltung geändert hat.

Dabei ist die Sicherheitslage im Land so schlecht wie nie seit dem Einmarsch von US- und später Nato-Truppen nach den Anschlägen vom 11. September 2001. Der früher als relativ ruhig geltende Norden, in dem die Bundeswehr lange Schutzmacht war, produziert heute 43 Prozent aller Kriegsvertriebenen, melden die UN. Diese Woche lag die Zahl dieser Binnenflüchtlinge bei insgesamt knapp 150.000. Nicht weit vom Bundeswehrlager entfernt, das Steinmeier am Donnerstag besucht, hatten Taliban im größten afghanischen Militärlager Camp Schahin im April ein Massaker angerichtet und rund 160 Soldaten getötet.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen sagte vor kurzem, die Bundeswehr werde wohl noch mindestens fünf Jahre in Afghanistan bleiben. Deutsche Politiker werden noch häufiger dorthin reisen. Und sie werden wohl noch lange mit dem Hubschrauber in den Präsidentenpalast fliegen müssen.