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Antisemitismus Kampfansage an den Judenhass

Die ostdeutschen Verfassungsschützer beraten in Magdeburg über den Antisemitismus in unserer Gesellschaft und über die Gefahren.

Von Matthias Fricke 01.06.2018, 01:01

Magdeburg l Er kursiert auf den Schulhöfen, auf offener Straße oder immer häufiger auch im Internet: Antisemitismus in verschiedenen Formen. Die Judenfeindlichkeit gibt es als Stichelei, Beschimpfung oder im schlimmsten Fall führt sie sogar zu gewalttätigen Angriffen. Der Trend ist nach Aussagen der Verfassungsschützer in den letzten Jahren steigend. Rund 1500 antisemitische Straftaten gab es im vergangenen Jahr in Deutschland.

Wenn Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) in der nächsten Woche seine Länderkollegen und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) in Quedlinburg empfängt, will er mit einem eigenen Antrag das Thema auf die Tagesordnung bringen. „Antisemitismus ist leider wieder eine beschämende Realität in Deutschland“, sagte er am Donnerstag auf einem Symposium aller ostdeutschen Verfassung-schutzämter vor 120 Gästen in Magdeburg.

Deshalb wolle er sich in der Innenministerkonferenz in Quedlinburg für ein gemeinsames Zeichen gegen Antisemtismus einsetzen. Stahlknecht ist überzeugt: „Dazu wird es eine deutliche Botschaft geben.“ Er bezeichnete den Kampf gegen Judenfeindlichkeit als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Aus diesem Grund hat auch erst Anfang Mai der erste Anti­semitismusbeauftragte der Bundesregierung seine Arbeit aufgenommen. Felix Klein kündigte bei dem Symposium an: „Wir wollen alle Vorfälle künftig näher unter die Lupe nehmen. Auch diejenigen unterhalb der Straftatenschwelle.“

Als Beispiel für eine solche Erfassung nannte Klein die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) in Berlin. Diese sammelt alle Informationen zu antisemitischen Vorfällen in der Bundeshauptstadt. 947 waren es dort im vergangenen Jahr. „Ein solches System könnte ich mir auch bundesweit durchaus vorstellen“, sagt Klein.

Die hohe Dunkelziffer von antisemitischen Vorfällen sei ohnehin ein großes Problem. „Für mich ist die polizeiliche Kriminalstatistik in der Beziehung eher eine unsichere Datenquelle“, erklärt der Berliner Antisemitismusforscher Samuel Salzborn. Dort gebe es schon bei der Erfassung Schwierigkeiten, weil die Straftaten oft nicht richtig eingeordnet werden. Er habe die Erfahrung gemacht, dass viele antisemitische Straftaten gar nicht als solche erkannt wurden. „Außerdem wird oft nicht gesehen, dass Antisemitismus ein Weltbild ist und nicht einfach nur ein Vorurteil“, sagt Salzborn. Und dieses ist nicht nur im Rechtsextremismus verankert. Judenfeindlichkeit sei auch im Islamismus, unter Arabern und unter Linksextremen vorhanden. Das müsse künftig besser in den Statistiken und in den Verfassungsschutzberichten der Länder berücksichtigt werden.

Welche Auswirkungen der Antisemitismus auf in Deutschland lebende Juden hat, davon berichtete der Vizepräsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Mark Dainow. Eine Umfrage unter den Mitgliedern jüdischer Gemeinden habe ergeben, dass 60 Prozent von ihnen bestimmte Orte und Stadtteile meiden. 70 Prozent der Befragten würden es außerdem aus Sicherheitsgründen vermeiden, äußerlich zu zeigen, dass sie jüdischen Glaubens sind. Dainow finde es zudem beschämend, dass es mehr als 70 Jahre nach dem Holocaust ein Amt wie den des Antisemitismusbeauftragten geben muss.