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Attacken Osmanische Ohrfeige für die USA?

Beim Besuch des amerikanischen Außenministers droht der türkische Präsident Erdogan den USA.

15.02.2018, 23:01

Ankara (dpa) l Die „osmanische Ohrfeige“ ist der Legende nach eine Taktik, die dafür trainierte Soldaten des osmanischen Heeres im Nahkampf anwendeten. Feinde und sogar Pferde soll der gewaltige Schlag mit der flachen Hand niedergestreckt haben, der psychologische Effekt auf gegnerische Truppen soll erheblich gewesen sein. Die legendäre Klatsche ist traditionell nichts, was man befreundeten Besuchern in Aussicht stellt. Vor einer Visite von US-Außenminister Rex Tillerson in Ankara drohte Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan den US-Truppen in Syrien dennoch damit – was darauf hinweist, wie es um die bilateralen Beziehungen bestellt ist.

Zwar schwelt auch die Krise zwischen der Türkei und Deutschland weiter. Hauptziel von Erdogans verbalen Attacken sind aber längst die Amerikaner geworden. Der Konflikt zwischen Washington und Ankara eskaliert in so atemberaubendem Tempo, dass sogar eine militärische Konfrontation nicht ausgeschlossen scheint: Im syrischen Manbidsch könnten sich bald Truppen der beiden Nato-Partner gegenüberstehen.

Manbidsch steht inzwischen exemplarisch für den größten Streitpunkt zwischen Washington und Ankara: Die US-Unterstützung für die Kurdenmiliz YPG. 2016 hatte ein von der YPG geführtes und den USA unterstütztes Bündnis die Stadt von der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) befreit. Die YPG ist aus Sicht Washingtons ein verlässlicher Partner im Kampf gegen den IS, aus Sicht Ankaras eine Terrorgruppe, die die Türkei bedroht. Westlich von Manbidsch, in Afrin, geht die türkische Armee mit einer Offensive gegen die YPG vor.

Erdogan hat angekündigt, dass danach auf Manbidsch marschiert wird – wo eben auch US-Truppen sind. Die „New York Times“ zitierte vergangene Woche einen US-General bei einem Besuch in Manbidsch, der mit Blick auf die Türkei sagte: „Wenn Ihr uns angreift, werden wir hart reagieren. Wir werden uns verteidigen.“ Erdogan erwiderte darauf: „Es ist ganz klar, dass diejenigen, die sagen ‚Wir reagieren hart, wenn sie uns angreifen‘, in ihrem Leben noch keine osmanische Ohrfeige verpasst bekommen haben.“

Zwar werde man „nicht absichtlich auf sie zielen“, sagte Erdogan – er meinte die US-Truppen. „Aber wir verkünden jetzt schon, dass wir jeden Terroristen, den wir sehen, vernichten und ausmerzen werden – angefangen mit denen, die direkt neben ihnen stehen.“

Für Empörung sorgten in Ankara Haushaltspläne des Pentagons, die 550 Millionen US-Dollar für Ausbildung, Ausrüstung und Grenzsicherung in Syrien vorsehen. Davon profitieren, so befürchtet die türkische Regierung, dürfte vor allem die YPG. Außerdem sollen in Syrien und im Irak weiterhin knapp 5800 US-Soldaten verbleiben – obwohl der IS in den beiden Ländern in der Fläche weitgehend besiegt ist.

Für den großen Verbündeten USA ist Erdogans Türkei nicht erst seit den jüngsten Äußerungen des Staatschefs zu einem weiteren Problemfall in der Nahost-Region geworden – auch wenn die Regierung von Donald Trump das nach außen hin nicht ganz so hart darstellen will. Das US-Politikportal „Politico“ attestierte der Türkei, sie sei „außer Kontrolle“. Es sei für die USA an der Zeit, das auch auszusprechen.

Streit gibt es nicht nur wegen der YPG, sondern auch in vielen weiteren Punkten: So fordert die Türkei beispielsweise vergeblich die Auslieferung des Predigers Fethullah Gülen aus den USA, den Erdogan für den Putschversuch vom Juli 2016 verantwortlich macht. Die US-Regierung verlangt die Freilassung inhaftierter US-Staatsbürger und türkischer Mitarbeiter von diplomatischen Vertretungen der USA. Für Empörung in den USA sorgten im vergangenen Mai Bodyguards Erdogans, die während eines Besuchs des Präsidenten friedliche Demonstranten verprügelten. Die US-Regierung stoppte daraufhin den geplanten Verkauf von Schusswaffen an Leibwächter Erdogans.

Der Besuch Tillersons in Ankara zeige, dass man auf beiden Seiten weiterhin gewillt sei, sehr offen miteinander zu reden, heißt es aus dem Außenministerium in Washington. „Es ist alles kompliziert genug, lasst es uns nicht noch komplizierter machen“, sagt ein hochrangiger Ministeriumsvertreter mit Blick auf die Gemengelage im Nahen Osten. Tillerson wiederholt mantraartig seine Devise, dass der Kampf gegen den IS für die USA absoluten Vorrang habe. Die türkische Offensive gegen die YPG in Afrin lenkt aus seiner Sicht nur von diesem Ziel ab.

Kurz vor der Reise in die Türkei drang er bei einem Besuch im jordanischen Amman auf eine Lösung. Die beiden Länder müssten einen Weg finden, um „in dieselbe Richtung“ zu gehen, sagte der US-Außenminister. „Die Türkei ist weiter ein wichtiger Nato-Verbündeter der USA.“ Cavusoglu klang da deutlich weniger versöhnlich, als er am Montag sagte: „Entweder wir verbessern die Beziehungen, oder diese Beziehungen werden vollständig zerstört. Da gibt es keine Alternative.“