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Außenpolitik Kalkül des Saudi-Prinzen

Offiziell unterhalten Saudi-Arabien und Israel keine diplomatischen Beziehungen zueinander. Jetzt überrascht der Kronprinz.

03.04.2018, 23:01

Riad/Tel Aviv (dpa) l Die Außenpolitik des jungen saudischen Kronprinzen gleicht einem Schachspiel. Manchmal muss man für einen siegreichen Zug etwas opfern, um am Ende zu gewinnen. Ausgerechnet im Interview mit Jeff Goldberg, der vor seiner Zeit als Chefredakteur des US-Magazins „The Atlantic“ Gefängniswärter für palästinensische Gefangene in Israel war, billigt Saudi-Arabiens Thronfolger Mohammed bin Salman Palästinensern und Israelis jeweils das Recht auf ein eigenes Land zu.

Das Interview des Kronprinzen sorgte international für Furore. Denn das islamisch-konservative Königreich hat offiziell keine diplomatischen Beziehungen zu Israel.

Der erst 32-Jährige gilt als starker Mann in dem sunnitischen Königreich. Die einen sehen in ihm einen modernen Reformer, der alte Strukturen aufbricht, das Land unabhängig vom Öl macht und Frauen das Autofahren erlaubt. Für die anderen ist er das Gesicht einer aggressiven Außenpolitik: Als Verteidigungsminister hat er die saudische Militärintervention im Jemen zu verantworten – mit dem Ziel, die schiitischen Huthi-Rebellen dort niederzuschlagen. Und er gilt auch als treibende Kraft hinter der Blockade gegen das Nachbaremirat Katar.

Die Außenpolitik Saudi-Arabiens ist dabei vor allem von der scharfen Konkurrenz zum regionalen Erzfeind Iran geprägt. Das sunnitische Saudi-Arabien – als Hüter der heiligen islamischen Stätten in Mekka und Medina – ist zutiefst verfeindet mit dem schiitischen Iran und befürchtet einen wachsenden Einfluss Irans in der Region. Eine Gefahr, die auch Israel so sieht. Hier gibt es also politische Schnittmengen.

Saudi-Arabien und Israel nähern sich – inoffiziell – schon seit längerem an. Unter Federführung des früheren Königs Abdullah schlug die Arabische Liga schon 2002 einen Friedensplan für den Nahostkonflikt vor: Der Staat Israel wird in den Grenzen von 1967 anerkannt, wenn sich Israel aus den palästinensischen Gebieten zurückzieht.

Im vergangenen Jahr sprach sich der Generalstabschef der israelischen Streitkräfte, Gadi Eisenkot, in seinem ersten Interview für ein arabisches Medium auch öffentlich für eine Kooperation mit Saudi-Arabien aus. Der iranische Plan sei es, den Nahen Osten vom Iran, über den Irak, Syrien und den Libanon, sowie über Bahrain und den Jemen zum Roten Meer zu kontrollieren. „Das muss verhindert werden“, so der israelische General.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu betont zudem immer wieder, hinter den Kulissen gebe es eine Annäherung Israels an arabische Staaten.

Lange war der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern ein Hauptgrund dafür, das islamisch geprägte Staaten der Region Israel nicht anerkannten. Doch spielt der Streit nach Einschätzung von Experten für viele arabische Länder keine große Rolle mehr. Die Palästinenser fühlen sich schon länger auch von der arabischen Welt im Stich gelassen.

Erst im Dezember äußerten bei einer Umfrage vier von fünf Palästinensern ein generelles Misstrauen gegenüber der Rolle Saudi-Arabiens in einem durch die USA vermittelten regionalen Friedensplan. Madschdi al-Chalidi, diplomatischer Berater von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, sagte zu den Aussagen Mohammed bin Salmans lediglich: „Es gibt Meinungsfreiheit, jeder hat seine Ansichten.“

Hinzu kommen wirtschaftliche Interessen in Saudi-Arabien. Für den Bau des Megaprojekts Neom – eines 500 Milliarden US-Dollar teuren autonomen Gebietes an der saudischen Küste am Roten Meer – soll auch eine Brücke über den Golf von Akaba in Richtung des ägyptischen Sinai gebaut werden. Dies dürfte nicht ohne die zumindest inoffizielle Erlaubnis von Israel geschehen, meinen Nahost-Experten.

Der US-amerikanische Historiker und Professor Juan Cole sieht in den neuen Äußerungen des saudischen Kronprinzen daher auch keinen Paradigmenwechsel im Verhältnis zwischen Saudi-Arabien und Israel, sondern einen Ausdruck des Realitätssinns von Mohammed bin Salman. „Diese egoistische Position ist nur harscher Realismus und Lichtjahre entfernt vom Friedensplan des früheren Königs Abdullah“, schreibt Cole.

Auch andere Nahost-Beobachter sehen in der recht radikalen Außenpolitik Saudi-Arabiens eine Gefahr. Denn mit seinem Vorgehen gegen die eigene Königsfamilie und traditionell islamische Kräfte schafft sich der Kronprinz Feinde nicht nur im Iran, sondern auch im eigenen Land.