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Befristete Verträge GroKo-Streit um befristete Jobs

Die SPD will befristete Arbeitsverträge einschränken. Das könnte zum Streitfaktor bei den Groko-Verhandlungen in Berlin werden.

26.01.2018, 23:01

Berlin (dpa) l Klingt sperrig, betrifft aber Millionen von Menschen in Deutschland: die „sachgrundlose Befristung“. Das Thema ist einer der größten Knackpunkten in den GroKo-Verhandlungen. Arbeitgeber können Arbeitnehmer ohne jeden Grund befristet einstellen. Gewerkschaften verdammen das als „Skandal“. Die Arbeitgeber dagegen sprechen von einem „Jobmotor“, der Unternehmen flexibel auf Auftragslagen reagieren lässt. Die SPD will befristete Jobs einschränken und die sachgrundlose Befristung ganz abschaffen. Es ist eines der „essenziellen Projekte“, bei denen die SPD nun Fortschritte fordert. Weite Teile der Union lehnen das ab.

Die Fakten: Fast jeder zwölfte Arbeitnehmer hatte 2014 einen befristeten Job, davon ist nach Angaben des Forschungsinstituts IAB knapp die Hälfte sachgrundlos. Es gibt drei Arten von Befristungen ohne Sachgrund: Befristung bis zu zwei Jahren, Befristung in den ersten vier Jahren nach Gründung eines Unternehmens und Befristung bei über 52-jährigen zuvor Arbeitslosen. Ein legitimer Grund kann eine Vertretungsregelung sein.

2,8 Millionen Arbeitnehmer waren 2016 in Deutschland nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes befristet beschäftigt. Während ihr Anteil an der Gesamtzahl der abhängig Beschäftigten im vergangenen Jahr relativ stabil war, stieg der Anteil bei jungen Arbeitnehmern zwischen 25 und 34 Jahren deutlich an: von 9,6 Prozent vor 20 Jahren über 16,6 Prozent 2006 bis auf 18,1 Prozent 2016. Die Bundestagsabgeordnete Jutta Krellmann, Arbeitsmarktexpertin der Linken, will den „Befristungsirrsinn“ beenden. „Gerade bei jüngeren Menschen sorgen Befristungen dafür, dass sie elementare Dinge des Lebens nicht planen können, wie etwa eine Familiengründung“, führt sie aus. Ihre Partei will sachgrundlose Befristungen verbieten, Sachgründe reduzieren und Kettenbefristungen verhindern.

Was Befristungen bedeuten, hat Lehrer Uwe Feder selbst erlebt. Der Pädagoge hangelte sich an Grundschulen in Hessen von einem Vertrag zum nächsten. Die Befristungen hätten immer einen Sachgrund gehabt, oft etwa die Elternzeitvertretung. Keine Seltenheit in Bereichen mit vielen weiblichen Beschäftigten, wie die IAB-Studie feststellt. Bei der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hält man sachgrundlose Befristungen für verzichtbar – selbst bei konjunkturellen Schwankungen.

Wenn Unternehmen in Wirtschaftsflauten Entlassungen erwägen würden, könnten sie auch eine ordentliche Kündigung aus betriebsbedingten Gründen aussprechen, sagt Sprecherin Daniela Milutin. „Durch die sachgrundlose Befristung wird das unternehmerische Risiko einseitig auf die Arbeitnehmer verlagert.“ Das Kündigungsschutzgesetz werde umgangen, weil Arbeitnehmer Kündigungen nicht mehr vor Gericht anfechten könnten. Dauer und Anzahl der Befristungen müssten begrenzt werden. Die Arbeitgeber sehen das naturgemäß anders. Beispiel ebm-papst: Der Maschinenbauer baut Ventilatoren und Antriebstechnik. In der Zentrale im baden-württembergischen Mulfingen arbeiten 3500 Beschäftigte. Das Unternehmen nutzt die sachgrundlosen Befristungen seit vielen Jahren. „Hierdurch ermöglichen wir Flexibilität in der Produktion, um auf Auslastungsgrade reagieren zu können“, sagt der Vorsitzende der Geschäftsführung, Stefan Brandl. „Befristete Jobs sind oft Sprungbrett in eine dauerhafte Beschäftigung“, sagt Enzo Weber, der den Forschungsbereich „Prognosen und gesamtwirtschaftliche Analysen“ des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg leitet.

Ein Verbot der sachgrundlosen Befristung könne außerdem negative Effekte haben. „Arbeitgeber könnten weniger neu einstellen, weil sie unsicher sind, wie sich ihr Bedarf an Arbeitskräften entwickelt.“ Außerdem könne es zu Ausweicheffekten kommen, wie mehr Leiharbeit. Die SPD will auch Kettenbefristungen begrenzen. Bei befristeten Jobs ohne Sachgrund sind immer neue Verträge möglich.