1. Startseite
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Politik
  6. >
  7. Putin nennt türkische Führung "Verräter"

Bomber-Abschuss Putin nennt türkische Führung "Verräter"

Der Konflikt mit der Türkei wegen des abgeschossenen Kampfjets dominiert die russische Politik. Putin hat einen neuen Feind.

03.12.2015, 23:01

Moskau (dpa) l Im Konflikt mit der Türkei hat der russische Präsident Wladimir Putin in seiner Rede an die Nation zu einem Frontalangriff ausgeholt. Putin bezeichnete die Regierung in Ankara am Donnerstag als „verräterisches Regime“, das in Syrien Terroristen unterstützt. Gleichzeitig drohte der Kremlchef mit weiteren Strafmaßnahmen wegen des Abschusses eines russischen Kampfflugzeugs durch die Türkei. „Allah beschloss, die regierende Clique in der Türkei zu bestrafen, und hat sie um den Verstand gebracht“, wetterte er.

Die Türkei hatte am 24. November einen russischen Kampfbomber im syrisch-türkischen Grenzgebiet abgeschossen. Ankara wirft Moskau eine Verletzung der Grenze vor. Der Kreml weist dies zurück und hat Sanktionen im Handel und Tourismus gegen das Nato-Land erlassen.

Im Gegensatz zu früheren Ansprachen an das russische Volk gab sich Putin diesmal zurückhaltend mit Kritik am Westen. Vor rund 1000 Amts- und Würdenträgern redete er vor allem über innenpolitische Themen und rief die Russen zum Durchhalten auf in der schweren Wirtschaftskrise. Hatte im vergangenen Jahr noch die Ukraine-Krise außenpolitisch das Thema vorgegeben, ging er stattdessen auf den Syrien-Konflikt und den Kampf gegen den Terrorismus ein.

„Wir wissen, wer jetzt in der Türkei den Terroristen hilft, sich zu bereichern, indem das gestohlene Erdöl verkauft wird“, sagte Putin im prunkvollen Georgssaal im Kreml. Russland wirft der Türkei und ausdrücklich der Familie von Staatschef Recep Tayyip Erdogan vor, der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) durch den Kauf von Öl zu helfen.

Erdogan wies die Vorwürfe entschieden zurück. „Meine Familie mit hineinzuziehen, ist eine nicht sehr moralische Seite dieser Angelegenheit“, sagte er. Die Türkei habe Belege, dass der größte Ölhändler mit dem IS ein russisch-syrischer Staatsbürger sei.

Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu sagte: „Niemand schenkt den Lügen der sowjetischen Propagandamaschinerie Beachtung.“ Und: „Die sowjetischen Charaktereigenschaften Russlands, die von den Sowjets übriggeblieben sind und von denen wir dachten, sie hätten sie in den letzten 20 bis 25 Jahren nach dem kalten Krieg vergessen, kommen nach und nach ans Tageslicht.“

Die türkische Führung werde den Abschuss des Jets bereuen, warnte Putin. „Wir werden nicht mit dem Säbel rasseln“, betonte er. Aber: „Wenn jemand ein hinterhältiges Kriegsverbrechen begeht, einen Mord an unseren Leuten, und dann denkt, er käme mit (Sanktionen gegen) Tomaten davon (...), dann täuscht er sich.“

Wegen der politischen Spannungen legten Moskau und Ankara auch das für beide Seiten wichtige Energie-Projekt Turkish Stream auf Eis. Die Planung der Gaspipeline durch das Schwarze Meer sei gestoppt, weil die Arbeit der gemeinsamen Regierungskommission ausgesetzt worden sei, sagte Energieminister Nowak.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier mahnte beide Seiten zu einer Entschärfung des Streits. „Wir müssen die gegenwärtige Situation versuchen zu durchbrechen“, sagte der SPD-Politiker in Belgrad.

Kurz zuvor hatte Putin den Beginn der Luftangriffe in Syrien durch das britische Militär begrüßt. Zugleich betonte er, nur gemeinsam könne die internationale Gemeinschaft den Terrorismus besiegen. „Wir müssen alle Differenzen beilegen und eine mächtige, einheitliche Anti-Terror-Front schaffen, die auf dem Völkerrecht begründet ist und von den UN geführt wird.“