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Boris Johnson EU-Staaten einigen sich auf Brexit-Aufschub

Zwei Mal hat Brüssel schon die Frist für die Trennung der Briten von der EU verlängert. Jetzt kommt Verschiebung Nummer drei.

28.10.2019, 23:01

Brüssel/London (dpa) l Die EU-Staaten haben sich auf einen flexiblen Brexit-Aufschub bis Ende Januar 2020 geeinigt. Sollte die Ratifizierung des Austrittsabkommens vorher gelingen, ist der britische EU-Austritt auch vor Fristende möglich. Stichtag wäre dann jeweils der erste Tag des folgenden Monats.

Die Entscheidung fiel am Montag beim Treffen der EU-Botschafter in Brüssel. Sie soll noch in einem schriftlichen Verfahren formalisiert werden, wie EU-Ratschef Donald Tusk im Kurznachrichtendienst Twitter mitteilte. EU-Chefunterhändler Michel Barnier sprach von einem "sehr kurzen, effektiven und konstruktiven Treffen".

Premierminister Boris Johnson wollte Großbritannien ursprünglich am 31. Oktober aus der EU führen – "komme, was wolle". Inzwischen musste er allerdings mehrere Niederlagen im britischen Parlament hinnehmen. Dort verfügt er über keine Mehrheit mehr. Er strebt daher eine Neuwahl am 12. Dezember an, über die die Abgeordneten noch am späten Montagnachmittag abstimmen sollten. Auch hier gelten seine Erfolgsaussichten allerdings als äußerst gering.

Johnson braucht für eine Neuwahl eine Zweidrittelmehrheit. Die größte Oppositionspartei Labour sperrt sich aber bislang. Deren Chef Jeremy Corbyn hatte deutlich gemacht, seine Partei werde einer Neuwahl nicht im Wege stehen, sobald ein Brexit ohne Deal vom Tisch sei.

Mögliche Brexit-Daten wären der flexiblen Verlängerung ("Flextension") zufolge der 1. Dezember, der 1. Januar und der 1. Februar. Brüssel schließt weitere Verhandlungen über das Austrittsabkommen aus. Die EU-Staaten rufen London dazu auf, sich während der Verlängerung in einer "konstruktiven und verantwortungsvollen Weise" zu verhalten.

Der Präsident des Europaparlaments, David Sassoli, begrüßte die Entscheidung der EU-Staaten für einen flexiblen Brexit-Aufschub. "Das gibt dem Vereinigten Königreich mehr Zeit, klarzumachen, was es will", schrieb Sassoli am Montag auf Twitter.

Zudem wird festgelegt, dass Großbritannien für die kommende EU-Kommission unter Präsidentin Ursula von der Leyen einen Kommissar nominieren muss. Denkbar wäre, dass der aktuelle britische EU-Kommissar Julian King bis zum Brexit in Brüssel bleibt. Er ist derzeit für die Sicherheit in der Staatengemeinschaft zuständig.

Der Londoner Bürgermeister Sadiq Khan bezeichnete die Einigung der EU-Staaten als "gute Nachricht". Die Gefahr eines unmittelbar bevorstehenden "katastrophalen" EU-Austritts ohne Abkommen sei gebannt, twitterte der Labour-Politiker. Ähnlich positiv äußerte sich Dänemarks Ministerpräsidentin Mette Frederiksen. Dänemark habe stets die Position vertreten, dass eine Verlängerung richtig sei. Auch Frankreich, das den Briten zunächst nur eine kurze Verlängerung von etwa zwei bis vier Wochen gewähren wollte, trägt den Kompromiss mit.

Hoffnung, dass es doch vor Jahresende zu einer Neuwahl in Großbritannien kommen könnte, machten kürzlich die kleineren Oppositionsparteien. Die Liberaldemokraten und die Schottische Nationalpartei SNP boten Johnson an, per Gesetzesänderung die Erfordernis der Zweidrittelmehrheit für einen vorgezogenen Urnengang zu umgehen. Die Regierung reagierte skeptisch, denn der Preis könnten eine Senkung des Wahlalters oder weitergehende Forderungen sein. Junge Briten gelten als überwiegend proeuropäisch.

Johnson hatte kürzlich auf Druck des Parlaments einen Antrag auf Verlängerung der Austrittsfrist bis Ende Januar beantragt, obwohl er selbst den Brexit unbedingt am 31. Oktober durchziehen wollte. Als das Unterhaus eine Eil-Ratifizierung des Austrittsvertrags ablehnte, war dieser Zeitplan aber praktisch nicht mehr zu halten.

EU-Ratschef Tusk empfahl den 27 bleibenden EU-Staaten schließlich, dem britischen Antrag stattzugeben und so einen chaotischen EU-Austritt in dieser Woche zu vermeiden. Für den Fall eines No-Deal-Brexits werden enorme Turbulenzen für die Wirtschaft, Unsicherheit für die Bürger und sogar Versorgungsengpässe befürchtet.

Der britische EU-Austritt war ursprünglich für den 29. März vorgesehen, wurde aber bereits zweimal verschoben.