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Braunkohle-Protest Haftstrafe für unbekannte Demonstrantin

Eine 19-Jährige verschweigt bei ihrer Festnahme der Polizei ihren Namen. Gleiches macht sie vor Gericht. Nun muss sie ins Gefängnis.

09.06.2016, 23:01

Cottbus (dpa) l Als das Urteil gesprochen ist, sagt die junge Frau auf der Anklagebank: „Und wenn ich jetzt meinen Namen sagen würde?“ Zu spät. Der Richter am Amtsgericht Cottbus schüttelt den Kopf – das Urteil ist schon in der Welt. Für zwei Monate muss die Frau ins Gefängnis, weil sie sich an Pfingsten bei einer Protestaktion gegen die Braunkohle in der Lausitz gegen die Polizei gewehrt und dabei einen Beamten verletzt hatte. Es geht um einen blauen Fleck am Knie. Dass das Strafmaß am Donnerstag vergleichsweise hoch ausfällt, liegt auch daran, dass die Frau in der Verhandlung ihre Personalien verschwieg.

Nur wenig gibt die junge Frau, die in einem blauen Pullover zum Prozessauftakt erscheint, in der Verhandlung von sich preis. Dass sie 19 Jahre alt sei, kein Einkommen und einen festen Wohnort habe. Das ist alles – für das Gericht eine schwierige Ausgangslage.

Die Weigerung, zu ihrer Identität Angaben zu machen, habe ihr nicht geholfen, betont Richter Michael Höhr bei der Urteilsbegründung. Um zum Beispiel eine Bewährungsstrafe verhängen zu können, bedürfe es einer „positiven Sozialprog-nose“. Also beispielsweise, ob eine Wiederholungstat wahrscheinlich ist oder nicht. Ohne Angaben zur Person und zum Leben der Angeklagten sei das quasi gar nicht einzuschätzen. Das Gericht will nach eigenen Angaben auch klarmachen: Ein Angeklagter kann eine Strafverfolgung nicht umgehen, indem er die Personalien verschweigt.

Die Staatsanwaltschaft, die ebenfalls auf zwei Monate Haft plädiert hatte, spricht von einer „Verschleierungshandlung“. Die Frau habe seit ihrer Festnahme vor knapp vier Wochen in Südbrandenburg nicht nur die Personalien verschwiegen, sondern auch verhindert, dass brauchbare Fingerabdrücke gemacht werden konnten. Zudem habe sie auf Fotos Grimassen geschnitten. Normalerweise würde bei den Tatvorwürfen auf eine Geldstrafe plädiert werden, doch hier gebe es „besondere Umstände“, sagt der Staatsanwalt. Weil ihre Identität unbekannt ist, sitzt die Frau wegen Fluchtgefahr in Untersuchungshaft.

Das Gericht nutzt für die Urteilsfindung Fotos zum Abgleich, um die Angeklagte im Verhandlungssaal zu identifizieren. Zwei Polizisten sagen als Zeugen aus, dass es sich um die Frau handele, die sie von den Gleisen weggetragen haben und die sich anschließend zur Wehr setzte, um dorthin zurückzugelangen.

Am Pfingstwochenende dieses Jahres hatten in der Lausitz Tausende gegen den Braunkohleabbau demonstriert. Zeitweise besetzten Aktivisten einen Tagebau und blockierten den Kohletransport zu einem Kraftwerk.