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Bürgerkrieg Millionen im Südsudan auf der Flucht

Seit mehr als drei Jahren tobt im afrikanischen Südsudan ein Bürgerkrieg. Bislang gab es 50.000 Tote.

Von Stefanie Glinski, dpa 18.08.2017, 23:01

Juba l Schon vor Ankunft des kleinen Rettungsflugzeugs stehen mehrere Autos neben dem ungeteerten Landestreifen aus roter Erde. Sie sind voll mit verletzten Menschen, die in der südsudanesischen Hauptstadt Juba operiert werden sollen. Die neunjährige Remaik ist die jüngste Patientin. Wenige Tage zuvor wurde ihr in den Kopf geschossen, als eine bewaffnete Gruppe junger Männer in ihr Dorf eindrang, um dort Rinder zu stehlen. Remaiks Gesicht ist geschwollen, ihre Augen kann sie kaum öffnen. Alle paar Minuten wird sie in den Armen ihrer besorgten Mutter bewusstlos.

Remaik hat Glück im Unglück. Denn eine kleine Twin-Otter-Maschine des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) ist auf dem Flughafen von Bor gelandet, ein nicht mehr als 700 Meter langer Schotterstreifen, umgeben von einfachen braunen Lehmhütten mit Strohdächern und grünen Wiesen. Das Flugzeug wird sie von dem Ort im Zentrum des Landes in das südlich gelegene Juba bringen. Laut Ärzten kann sie – mit richtiger medizinischer Versorgung – das Drama gut überstehen. Hier in Bor würde sie vermutlich sterben.

„Wir haben sieben Flugzeuge und zwei Hubschrauber, mit denen wir in abgelegene Regionen des Landes fliegen können, um dort Menschen durch Evakuierungen das Leben zu retten“, erzählt Shorty Adlard, Luftbetriebsmanager beim IKRK. „Jeden Tag fliegen unsere Flugzeuge durch das Land.“ Ungefähr acht Hin- und Rückflüge gibt es täglich, doch meistens werden diese genutzt, um Hilfsgüter und Arbeiter zu transportieren. Krankentransporte gibt es nicht jeden Tag – oft nur, wenn es der Platz zulässt und die Aktion lebensrettend ist.

Allerdings können die Flugzeuge laut Adlard nicht immer landen. Alle Flüge müssen zuerst vom südsudanesischen Militär genehmigt werden, aber auch dann ist eine Landung nicht sicher. Im Krisenstaat sind weniger als 100 Kilometer der Straßen geteert. Flughäfen zählen nur selten dazu.

Seit 2013 wütet im Südsudan ein Bürgerkrieg, dem mehr als 50.000 Menschen zum Opfer gefallen sind. Wegen des Konflikts und den schlechten Transportmöglichkeiten haben viele Menschen keinen Zugang zu Krankenhäusern oder Ärzten. Die Hälfte des Staatsbudgets wird in das Militär investiert, während das Gesundheitswesen nur zwei Prozent – etwa 6,1 Millionen Euro – erhält, wie der Gesundheitsminister des Bundesstaates Jubek, James Jada, sagt. Zudem sei das komplette Krankenhauspersonal im Land seit März nicht mehr bezahlt worden und die meisten Einrichtungen hätten ihren Medizinvorrat aufgebraucht, sagt Sandra Banks, eine Ärztin in einem Krankenhaus in Juba.

Im Flugzeug liegt Remaik bewusstlos auf dem Schoß ihrer Mutter. Ihre Wunden sind mit Verbänden abgedeckt, ansonsten ist sie nur in ein dünnes Tuch gehüllt. Eine Infusion ist provisorisch am Fenster befestigt, die Flüssigkeit fließt dem Mädchen in den Arm. Vom Flug bekommt sie nichts mit. Hinter ihr liegt ein weiterer Patient; ein Familienvater, dem bei Kämpfen ins Bein geschossen wurde. Er ist allein, stöhnt vor Schmerz.

Krankenpfleger Yuki Asakura kümmert sich während des kurzen Fluges um Remaik. Der junge Japaner lebt schon seit zwei Jahren im Südsudan und arbeitet für das IKRK. „Meine Aufgabe ist es sicherzustellen, dass die Verletzten bis zur Ankunft im Krankenhaus stabil bleiben“, sagt er. „Ungefähr 80 Prozent der Menschen, die ich behandle, haben Schussverletzungen.“

Nach rund 30 Minuten erreicht das kleine Flugzeug Juba. Auf dem Flughafen der Hauptstadt des Südsudan stehen unzählige Maschinen, die meisten von den UN, dem Roten Kreuz oder der Organisation Ärzte ohne Grenzen. Sie transportieren Lebensmittel, Medikamente und Ärzte in abgelegene, anders unzugängliche Regionen des Landes. Oft bringen sie auf dem Rückflug lebensgefährlich verletzte Patienten mit.