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Bürgerkrieg Syrien plant den Wiederaufbau

Durch Kämpfe und Vertreibung wandelt sich die syrische Gesellschaft. Für die Nachkriegszeit gibt es bereits Pläne.

Von Simon Kremer, dpa 14.08.2017, 23:01

Damaskus l Die Gesellschaft in Syrien verändert sich durch den Krieg. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung hat wegen Kämpfen und Vertreibungen ihre Häuser verlassen. Ein großer Teil floh ins Ausland, Millionen andere sind innerhalb Syriens umgesiedelt. Ganze Städte und Landstriche werden neu zusammengesetzt. Während der Krieg noch in vielen Teilen des Landes wütet, plant die Führung in Damaskus schon die Zukunft des Landes und den Wiederaufbau. Nichtregierungsorganisationen werfen Präsident Baschar al-Assad vor, die Bevölkerungszusammensetzung gezielt zu manipulieren.

In einem verglasten, futuristischen Bau nahe des Zentrums von Damaskus flimmert die Vision des neuen Syriens über einen riesigen Bildschirm. Moderne Hochhäuser für mehr als 65.000 Menschen erheben sich aus der Wüste, Fahrradwege schlängeln sich durch Parks und Einkaufszentren laden zum Bummeln ein. „Wir bauen hier eine Gegend wieder auf, die sich sehr davon unterscheiden wird, wie es hier vorher ausgesehen hat“, sagt Dschamal Jussef, der Leiter des „Projekts 66“.

Der Name geht auf das Dekret 66 zurück, das Präsident Assad im Jahr 2012, kurz nach Ausbruch der Revolution, unterschrieben hat. Offiziell soll es Gegenden neu erschließen, in denen ohne Genehmigung gebaut wurde. Das Areal im Stadtteil Mezzeh soll so ein Gebiet gewesen sein. Es war zu Beginn der Revolution aber auch eine Hochburg der syrischen Opposition gegen den Präsidenten.

In einer Studie haben die niederländische Organisation Pax und das amerikanische Syria Institute (TSI) den gesellschaftlichen Wandel in Syrien näher untersucht. Demnach hat die syrische Regierung zusammen mit ihren Verbündeten Russland und Iran hunderttausende Zivilisten aus Damaskus, Aleppo und Homs aus ihren Häusern vertrieben: „Mit einer Strategie aus Belagerung, Aushungern, Zerstörung und Austausch“, wie die Autoren schreiben. „Diese gewaltsame Verdrängung hat langanhaltende kulturelle und sozioökonomische Auswirkungen, die eine spätere Aussöhnung erschweren.“

Gerade für die nordsyrische Stadt Homs werfen die Organisationen der Führung von Präsident Assad vor, die Zivilbevölkerung durch gezielte Bombenangriffe, Massaker und der Verweigerung medizinischer Hilfe zur Flucht getrieben zu haben. Vor allem überwiegend sunnitische und oppositionelle Stadtviertel seien betroffen gewesen. Die militärischen Maßnahmen seien über die bloße Bekämpfung von Rebellen hinausgegangen. „Homs wurde zur Blaupause für andere Städte wie Daraja und Aleppo 2016.“

Städte, die auch der Projektleiter von Assads Vorzeigebauprojekt nennt: „Wir werden ganz Syrien neu aufbauen“, sagt Dschamal Jussef. „Daraja und Homs zum Beispiel.“ Dabei verliefen die Umsiedlungen im rechtlichen Rahmen. Könnten die Menschen nachweisen, dass sie rechtmäßig ein Haus besäßen, würden sie entsprechend entschädigt. Nach Ansicht von Experten ist dieser Nachweis häufig aber nicht möglich.

Mit den militärischen Erfolgen im Rücken begann Assad auch damit, die Bevölkerung ganzer belagerter Ortschaften auszutauschen. Nach einem Abkommen zwischen Regierung und Rebellen durften Anhänger Assads unter anderem die von Rebellen belagerten Städte Fua und Kafraja im Nordwesten Syriens verlassen. Im Gegenzug siedelten überwiegend sunnitische Oppositionelle aus zwei Ortschaften nahe Damaskus in Richtung der Provinz Idlib um. Seit 2014 vereinbaren die syrische Führung oder ihre Verbündeten immer mehr wieder solche Pläne zum Bevölkerungstausch. Zehntausende Menschen wurden so umgesiedelt.

Mittlerweile befindet sich ein Großteil der Rebellen in Idlib – während die großen Städte Aleppo, Homs und Damaskus wieder fast vollständig unter Kontrolle der syrischen Regierung stehen.

Zu den möglicherweise gezielten Gesellschaftsveränderungen kommen noch Menschen wie Kioskbesitzer Abu Adel aus Aleppo hinzu, die auf ihrer Flucht froh sind, wenn sie in verlassenen Häusern Schutz und Unterkunft finden. Die Regierung sei sich des Problems bewusst und arbeite daran, teilte sie mit.