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CDU-Parteitag Der Kampf ums Merkel-Erbe

Wollen die Delegierten des CDU-Parteitags in Hamburg einen Bruch mit der Ära Merkel, wie ihn Friedrich Merz bringen könnte?

06.12.2018, 23:01

Hamburg (dpa) l Angela Merkel lächelt und scherzt, als sie die Kulisse für den Kampf um ihr Erbe begutachtet. Wenn es der Kanzlerin an diesem Donnerstagnachmittag etwas mulmig zu Mute sein sollte, kann sie es gut verbergen. Routiniert absolviert die 64-Jährige den Rundgang durch jene Hamburger Messehalle, in der sie am Freitagmittag nach 18 Jahren an der Parteispitze ihre Abschiedsrede halten wird. Und wo sich anschließend die Kandidaten für ihre Nachfolge den 1001 Delegierten des Parteitags in der Hansestadt präsentieren wollen.

Nach allem, was aus der Partei zu hören ist, wird es ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer und Ex-Unions-Fraktionschef Friedrich Merz  – Stichwahl wahrscheinlich. Der dritte prominente Kandidat, Gesundheitsminister Jens Spahn, gilt als chancenlos. Ihm wird höchstens ein Achtungserfolg vorhergesagt, 10 bis 15 Prozent der Delegiertenstimmen könnten drin sein, hoffen ihm Wohlgesinnte.

Direkt vor dem Parteitag hat sich die Auseinandersetzung zwischen Merz und Kramp-Karrenbauer spürbar verschärft. Nachdem auch noch der eigentlich als CDU-Grandseignieur geschätzte Wolfgang Schäuble eine direkte Wahlempfehlung für Merz abgegeben hat, sind Dämme gebrochen, wie Peter Altmaier es formulierte. Der als Merkel-Unterstützer bekannte Wirtschaftsminister outet sich am Donnerstag als AKK-Fan.

Wer sich in den Lagern umhört, kann ähnliche Einschätzungen hören: Ganz knapp werde es, Ausgang offen. Vor allem die Tagesform der Kontrahenten werde wohl entscheiden. Zwar sei Merz ein brillianter Redner – aber auch Kramp-Karrenbauer habe bewiesen, dass sie Parteitage rocken könne. Ganz wichtig werde sein, welchem Kandidaten es gelinge, den Delegierten eher den Eindruck zu geben, er könne die Gräben zwischen Gewinner und Verlierer nach dem Parteitag am besten wieder zuschütten.

Realisten unter den Delegierten halten eine Vertiefung des Risses fast für unausweichlich – zwischen jenen, die sich einen kompletten Neustart mit Merz wünschen und anderen, die sich von AKK zwar Erneuerung und mehr Offenheit für Debatten, aber keine völlige Abkehr von der Ära Merkel wünschen. Es werde darauf ankommen, ob es Kramp-Karrenbauer gelinge, Brücken zu bauen – selbst wenn ein Teil der Merz-Anhänger dann nicht darüber gehen wolle, hieß es bei ihren Unterstützern.

Aus dem Merz-Lager war indes eine eindeutig Ansage zu hören: "Wir brauchen keine Mediation, sondern jemanden, der klar führt. Die Menschen wollen jemanden haben, der klar weiß, wo es hingeht." Gehe Merz als Verlierer aus dem Parteitag hervor, werde es viele wohl nicht mehr in der Partei halten.

Zurück zu Merkels Hallenrundgang: Als sie im braunen Blazer hinter dem Rednerpult steht und eine Tonprobe macht, freut sie sich kurz über den Schokoladen-Nikolaus, der dort liegt. Ob die Vorsitzende da wohl kurz daran gedacht hat, was die Delegierten im Gepäck haben, wenn es am nächsten Tag in die Aussprache über ihre Amtszeit geht? Werden es nach 18 Jahren Parteivorsitz und gut 13 Jahren als Kanzlerin nur lobende Worte sein? Wohl kaum.

Sehr dankbar sei sie für diese Jahre. "Das ist eine lange, lange Zeit", sagt Merkel auf die Frage, was in ihr vor ihrem letzten Parteitag als Vorsitzende vorgehe. Natürlich habe die Partei in dieser Zeit Höhen und Tiefen erlebt. Schnell schiebt sie aber hinterher, die CDU habe die Bundestagswahlen "viermal so gestalten können, dass wir die Bundeskanzlerin stellen". Unter ihrer Führung, soll das wohl heißen.

Wer möchte, kann in diesen Worten Merkels eine versteckte Botschaft auch an die Delegierten hören: Den Appell, dass es trotz allen Ärgers über ihren Kurs doch nicht nötig sei, radikal mit den vergangenen Jahren zu brechen. Wenn man so will, könnte das auch eine versteckte Unterstützung für Kramp-Karrenbauer sein. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Merkel sich ihre Generalsekretärin als Nachfolgerin wünscht – und nicht Merz. Natürlich wird sich die Vorsitzende nicht öffentlich für ihre Wunschkandidatin aussprechen – ganz anders, als es ihr alter Widersacher, Parlamentspräsident Wolfgang Schäuble, direkt vor dem Parteitag für Merz tat.

Noch zwei weitere Botschaften versteckt Merkel in ihren nichtmal drei Minuten langem Statement. Die Partei habe sich intensiv vorbereitet auf den Wahlparteitag, sagt die CDU-Chefin und meint die acht Regionalkonferenzen, bei denen sich die Kandidaten vorgestellt haben. Auf die Delegierten komme nun mit der Wahl die "wichtige Aufgabe zu, damit auch die Weichen für die zukünftige Führungsmannschaft zu stellen". Es sei jetzt der Zeitpunkt gekommen, wo "für die Bundestagswahl auch die Vorbereitungen getroffen werden müssen in Zeiten, die sich sehr stark ändern".

Für die Bundestagswahl? Wäre ja eigentlich erst 2021. Und bis dahin ist noch mehr als genügend Zeit, sogar für mehrere Wahlparteitage. Ob Merkel eine vorgezogene Wahl vielleicht schon im kommenden Jahr im Sinn hat? Nicht wenige in der Union wollen nicht ausschließen, dass es dazu kommt. Entweder, weil die SPD angesichts eines möglicherweise desaströsen Resultats bei der Europawahl Ende Mai doch noch rasch aus der ohnehin von Anfang an schlingernden großen Koalition aussteigen will. Oder weil Merz bei einem Wahlerfolg möglicherweise versuchen könnte, Merkel vorzeitig aus dem Amt zu drängen. Eines wird im Lager der Kanzlerin ausgeschlossen: Dass sie in der Zusammenarbeit mit einem CDU-Vorsitzenden Merz entnervt hinschmeißen könnte.

Auf die Frage, ob die Vorsitzendenentscheidung das Potenzial zu einer noch tieferen Spaltung zwischen Merkel-Anhängern und dem sehr konservativen Lager um Merz, Schäuble und auch Spahn habe, antwortet die Kanzlerin auf die ihr eigene Art: "Das ist Demokratie pur, wenn Auswahl besteht. Und den Rest werden die Delegierten entscheiden."