Corona Mehr Tempo beim Impfen

Die größte Impfaktion der Republik: Hersteller und Politik zeigen sich deshalb entschlossen, die Engpässe abzumildern.

01.02.2021, 16:57

Berlin (dpa) l Hersteller und Politik drücken bei der umfangreichsten Impfaktion der Republik aufs Tempo. Denn so groß die Hoffnungen beim Start der Impfkampagne am zweiten Weihnachtstag auch waren, so viel Ärger hat sich seither angestaut. Unsichere Liefertermine für den knappen Impfstoff, dauerbesetzte Termin-Hotlines und leerstehende Impfzentren sorgten für Zoff. Nach dem Impfgipfel vom Montag wollen Bund, Länder und Hersteller wieder stärker an einem Strang ziehen. Die SPD versuchte zuletzt immer hartnäckiger, Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vor sich herzutreiben. Mitten in der Jahrhundertpandemie und acht Monate vor der nächsten Bundestagswahl lieferte sich die Koalition ein Schwarzer-Peter-Spiel. Der Hauptvorwurf: Die jeweils andere Seite setze das Vertrauen der Bevölkerung ins Impfen aufs Spiel. Bei der Videokonferenz mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) galt es deshalb, die Wogen zu glätten – und Chancen für mehr Impfungen ausloten.

DER IMPFSTOFF-NACHSCHUB:

Dabei kommt es im Grunde weder plötzlich noch überraschend, dass Impfstoff jetzt rar ist. "Wir müssen durch den Winter durchkommen, ohne darauf setzen zu können, dass wir in großem Maße schon Impfstoff zur Verfügung haben", hatte Merkel bereits Anfang Dezember vorgewarnt. Doch nun sollte nach Ansicht vieler Länder ein konkreter Impfplan her: Um besser nachvollziehen zu können, welche Lieferungen wann geplant sind. Doch Spahns Ministerium bremste allzu forsche Forderungen schriftlich aus: "Obwohl das Bundesgesundheitsministerium eine längerfristige Planbarkeit regelmäßig anmahnt, sehen sich die Hersteller nicht in der Lage, diese aktuell zu gewährleisten". Denn die Firmen lieferten einfach direkt nach Produktion, Qualitätsprüfung und Chargenfreigabe. So gingen bisher über 3,5 Millionen Dosen an die Länder. 2,2 Millionen Dosen wurden gespritzt. Einige Länder lagern den Impfstoff erst ein, um ihn für die notwendige zweite Spritze sicher zu haben, andere verabreichen im Vertrauen auf Lieferungen gleich alles.

DIE ROLLE DER HERSTELLER:

Hoffnung auf mehr Impfstoff gab es bisher wegen eines vor dem Start befindlichen Biontech-Werks in Marburg. Auch gibt es Kooperationen zwischen Pharmaunternehmen. So will etwa der Pharmakonzern Sanofi ab Sommer mehr als 125 Millionen Dosen des Biontech-Impfstoffs für die EU liefern. Doch zuletzt häuften sich schlechte Nachrichten: Biontech und sein US-Partner Pfizer kündigte vorübergehend schmalere Lieferungen wegen Werksumbauten an. Astrazeneca empörte die EU-Kommission, weil der britisch-schwedische Konzern zunächst nur 31 statt 80 Millionen Dosen Impfstoff an die EU-Staaten liefern wollte. Am Sonntag sagte Astrazeneca aber nun doch 40 Millionen Dosen im ersten Quartal zu. Es folgte eine Mitteilung aus Mainz: Biontech kann im zweiten Quartal möglicherweise bis zu 75 Millionen zusätzliche Dosen ausliefern. Und wenige Stunden vor dem Impfgipfel zeigte sich Spahn an der Seite von NRW-Ministerpräsident und CDU-Chef Armin Laschet und den Chefs des Pharmariesen Bayer und des Tübinger Unternehmens Curevac: Bayer steigt in die Impfstoffproduktion ein und will Millionen Dosen des noch nicht zugelassenen Curevac-Vakzins unter anderem in Wuppertal herstellen. Allerdings betont Spahn: "Eine Impfstoff-Produktion lässt sich nicht in vier Wochen mal eben aufbauen." Richtig anlaufen soll die Bayer-Curevac-Produktion 2022.

DER IMPF-ZEITPLAN:

Bis Mitte Februar sollen alle Pflegeheimbewohner ein Impfangebot erhalten, bis Ende März alle Über-80-Jährigen – bis Ende des Sommers dann alle. So hatte es bisher bereits geheißen. Nun teilt das Bundesgesundheitsministerium den Länder noch einmal schriftlich mit, auf Basis von Annahmen sei ein Impfangebot an alle impfwilligen Erwachsenen "im Sommer/3. Quartal" möglich. 96,7 Millionen Impfdosen sollen vom Start der Impfkampagne bis zum Ende des ersten Halbjahres geliefert werden – nach einer von Spahns Beamten auf Basis der Herstellerangaben vorgenommenen Schätzung. Im dritten Quartal sollen 126,6 Millionen Dosen folgen – und im vierten 100,2 Millionen Dosen. Den Großteil sollen bis zum Ende des Sommers Biontech/Pfizer liefern. Weitere Bestellungen nimmt Spahn in den Blick – wegen wahrscheinlich extra nötiger Impfungen gegen Virus-Mutationen. Offen ist zudem, ob auch bei Covid-19 eine Verstärker-Impfung nach einigen Jahren fällig wird.

DIE IMPFORGANISATION:

Die Impfungen vor Ort laufen in der Regie der Länder. Bereitstehen sollen insgesamt mehr als 400 regionale Impfzentren – Hochbetrieb herrscht längst noch nicht. Terminbuchungen werden erst nach und nach angeboten. Bei Impfwilligen gibt es oft Frust, weil viele bei Telefon-Hotlines nicht durchkommen. Regelmäßig hört man Hinweise wie "Aktuell kein Impfstoff mehr verfügbar – derzeit keine weiteren Impftermine buchbar". Pragmatisch zeigt sich das Saarland – mit gemeinsamen Termin für mehrere Impfwillige. Ginge es nach Grünen-Chef Robert Habeck, würde die Terminvergabe umgedreht: Der Staat sollte den Menschen Termine anbieten – Betroffene müssten sie dann nur noch wahrnehmen.