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DDR-Minister Hans Modrow klagt für Akten-Herausgabe

Der letzte Ministerpräsident der DDR Hans Modrow geht gegen die Bundesregierung vor. Er kämpft für die Herausgabe seiner Geheimdienstakten.

25.01.2018, 23:02

Berlin (dpa) l Rund 70 Jahre lang hat sich Hans Modrow politisch engagiert – davon 40 Jahre in der DDR. Am Ende stellte Modrow fest, dass er fast sein ganz aktives politisches Leben von Geheimdiensten in West und Ost überwacht wurde. Das wollte er genauer wissen. Sein jetzt schon knapp fünf Jahre währender Kampf, Einblick in seine Akten zu erhalten, ist in einem Buch dokumentiert: "Ich will meine Akte", Untertitel: "Wie westdeutsche Geheimdienste Ostdeutsche bespitzeln". Es erscheint am 24. Januar.

Modrow gibt den Kampf auch mit 90 nicht auf. "Am 28. Februar bin ich Kläger vor dem Bundesverwaltungsgericht gegen die Bundesregierung, um Einsicht in meine Akten zu bekommen", sagt er der dpa.

Der Sozialismus in der DDR scheiterte, doch für seine Grundüberzeugung setzt sich der rüstige Polit-Pensionär und letzte DDR-Ministerpräsident der Staatspartei SED noch heute ein. "Der Sozialismus zum Beispiel chinesischer Prägung ist nicht nur eine Vision oder ein Traum, sondern eine Realität", sagt der promovierte Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler wenige Tage vor seinem 90. Geburtstag am 27. Januar der Deutschen Presse-Agentur.

"Die globale Welt, so wie sie jetzt ist, wird nicht so weiter leben", sagt er. Mit der Klimakatastrophe, der Ausbeutung der Ressourcen und der immer weiter auseinander klaffenden Schere zwischen Arm und Reich - "diese Gegensätze könnten explodieren, es werden soziale Kämpfe entstehen". Der Kapitalismus biete dafür keine Lösungen. Jedoch gestand er auch schon vor zehn Jahren ein: "Die sozialistische Planwirtschaft hat versagt."

Am 27. Januar wird er seinen runden Geburtstag im Kreise seiner Familie und Freunde feiern, "so etwa 45 bis 50 Gäste". Am 31. Januar ehrt die Linke ihren alten Kämpen mit einem Empfang. Modrow hat im 20. Jahrhundert viel erlebt. Von der Nazi-Herrschaft, über die Kriegsgefangenschaft in der Sowjetunion bis zu seinem Aufstieg in die Führungselite und kurz nach dem Fall der Mauer ins höchste Regierungsamt der DDR – wenn auch nur fünf Monate lang. Bei der ersten freien Volkskammerwahl im März 1990 verlor die SED ihre unumschränkte Macht. Später saß er im Bundestag (1990-1994) und im Europäischen Parlament (1999-2004).

Der Autor des Buches über Hans Modrow ist Robert Allertz in der für ähnliche Publikationen einschlägig bekannten "edition ost" (Eulenspiegel Verlagsgruppe). "Zeit online" schrieb im August 2017 über das Verlagsprogramm: "Lob- und Jubelschriften für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) ... wechseln sich mit Schmähschriften gegen westliche Geheimdienste ab."

Auf 220 Seiten wird akribisch der umfangreiche Schriftwechsel Modrows mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), dem Bundesnachrichtendienst (BND), dem Bundesinnenministerium, dem Bundeskanzleramt und der Stasi-Unterlagenbehörde sowie der sowjetischen Botschaft aufgelistet.

Der damalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) bestätigte Modrow 2013 schriftlich, dass das BfV ihn von 1965 bis 2012 überwachte. Das Bundeskanzleramt teilte mit, der BND habe von Juli bis April 1990 "Erkenntnisse zu Ihrer Person gesammelt und gespeichert". Durch eine Kleine Anfrage der Linke-Fraktion kam 2014 heraus, dass der Verfassungsschutz Modrow bereits seit 1951 überwachte – also über 60 Jahre.

Doch viel mehr erfuhr Modrow nicht. Friedrich teilte ihm mit, da die zu Modrow erhobenen Informationen als "zeitgeschichtlich bedeutsam" eingestuft wurden, sollen seine Akten ans Bundesarchiv abgegeben werden. Dadurch seien sie gesperrt. Trotz zahlreicher persönlicher Briefe und förmlicher Anfragen seines Rechtsanwaltes hat Modrow bis heute nur öffentlich zugängliche Informationen zu seinem Werdegang erhalten.

Modrow fühle sich – genauso wie viele Ostdeutsche – gedemütigt und in seiner Lebensleistung nicht anerkannt, so der Autor. Westdeutsche Geheimdienste müssten genauso ihre Archive öffnen wie erzwungenermaßen die Stasi "wegen der Gerechtigkeit und der Herstellung gleicher Lebens- und Erinnerungsverhältnisse in Ost und West", fordern Allertz und Modrow. Doch die Behörden verweisen immer wieder auf das Bundesarchivgesetz, wonach Archivgut des Bundes erst nach 30 Jahren, mit "Geheimhaltungspflicht" erst nach 60 Jahren einzusehen ist.

Doch der langjährige SED-Funktionär scheiterte genauso an der Geheimhaltung Moskaus. Modrow wusste, dass ihn auch die Stasi überwacht hatte. In den Akten der Stasi-Unterlagenbehörde fand er aber nur Belanglosigkeiten. Durch einen Ex-Stasi-Oberst erfuhr Modrow, dass seine Akten im Dezember 1989 kurz vor dem Sturm der Stasi-Zentrale in Dresden den Sowjets übergeben worden seien.

Eine Anfrage beim russischen Botschafter in Berlin im Frühsommer 2017 fiel genauso enttäuschend aus: "In Moskau habe man keine Kenntnis von der Existenz der genannten Akten", hieß die lapidare Auskunft.