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Debatte Heftige Kritik um Mindestlohn für Azubis

Zehntausende Auszubildende bekommen weniger als 400 Euro im Monat. Damit soll künftig Schluss sein. Doch es hagelt Kritik von allen Seiten.

15.05.2019, 23:01

Berlin (dpa) l Auszubildende sollen ab kommendem Jahr mindestens 515 Euro im Monat erhalten. Damit gäbe es erstmals eine gesetzliche Untergrenze für die Vergütung von Azubis. Das sieht eine Reform des Berufsbildungsgesetzes vor, die das Bundeskabinett am Mittwoch in Berlin beschloss. Mit dem geplanten Gesetz von Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) soll zudem die berufliche Weiterbildung gestärkt werden. Auf die Koalition prasselte wegen der Pläne viel Kritik ein.

Die Mindestvergütung für das erste Ausbildungsjahr soll jährlich steigen: Wer 2021 seine Lehre beginnt, soll mindestens 550 Euro bekommen, 2022 sollen es 585 Euro sein und im Jahr darauf 620 Euro. Im zweiten Ausbildungsjahr soll sich die Mindestvergütung um 18 Prozent erhöhen, im dritten um 35 Prozent. Allerdings sollen die Tarifpartner auch nach unten von den neuen Untergrenzen abweichen können. Für an einen Tarif gebundene Unternehmen sollen so in bestimmten Regionen oder Branchen andere Vergütungen gelten können.

Karliczek nannte den Schritt in der Regierungsbefragung im Bundestag "maßvoll": Er drücke Wertschätzung für die Auszubildenden aus – zugleich bleibe die Dynamik auf dem Ausbildungsmarkt erhalten.

Ursprünglich hatte Karliczek für die im Koalitionsvertrag vereinbarte Mindestvergütung 504 Euro im ersten Lehrjahr vorgesehen. Dies hatte die SPD als zu niedrig abgelehnt. Nun begrüßten die Sozialdemokraten die Vorlage. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte: "Gerade in Ostdeutschland und bei nicht tarifgebundenen Unternehmen machen wir die Ausbildung attraktiver."

Nach Zahlen der Bundesagentur für Arbeit verdienten Ende 2017 fast 65.000 Azubis in Deutschland weniger als 400 Euro im Monat, weitere 50.000 unter 500 Euro – zusammen mehr als sieben Prozent aller Auszubildenden. Unter der neuen Grenze lagen 2018 nach Daten des Bundesinstituts für Berufsbildung etwa Raumausstatter-Lehrlinge, die in Ostdeutschland 480 Euro im Monat verdienen, aber auch Schornsteinfeger mit 450 Euro und ostdeutsche Friseure mit 325.

Heftige Kritik entzündete sich an mit dem Gesetz auch geplanten neuen Bezeichnungen für höhere Berufsabschlüsse. Statt unzähliger Fortbildungsabschlüsse soll es künftig einheitlichere Abschlüsse geben. Dabei soll der neue "Bachelor Professional" dem heutigen Meister entsprechen. Beispielsweise auf dem Meisterbrief eines Bäckers soll künftig auch die Abschlussbezeichnung "Bachelor Professional im Bäckereihandwerk" aufgeführt sein. Für noch höherwertigere Abschlüsse wie Betriebswirt soll es den Abschluss "Master Professional" geben, beispielsweise "in Betriebswirtschaft".

Mit diesen einheitlichen Bezeichnungen soll erreicht werden, dass die Berufsausbildung verstärkt als gleichwertig zur akademischen Bildung anerkannt wird. In anderen Ländern ohne duale Ausbildung soll besser erkennbar sein, welchem Universitätsabschluss die jeweilige Ausbildung entspricht.

Der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Peter-André Alt, warnte deshalb vor Verwirrung im Bildungssystem: "Die im Zuge der Novellierung geplanten neuen Bezeichnungen für berufliche Abschlüsse dürfen so nicht stehen bleiben." Auch der Hauptgeschäftsführer des Industrieverbands Gesamtmetall, Oliver Zander, warnte vor Intransparenz und Missverständnissen.

Kritik kam insgesamt auch von den Gewerkschaften. DGB-Vize Elke Hannack vermisste unter anderem mehr Qualität in der Ausbildung und eine Aufwertung des Prüfer-Ehrenamts. Die IG Metall warnte vor einer Zweiklassengesellschaft bei Facharbeitern. Die Arbeitgeber könnten künftig zweijährige Ausbildungen anbieten, ohne dass die Azubis Anspruch hätten, danach in eine drei oder dreieinhalbjährige Ausbildung durchzusteigen, sagte Vorstandsmitglied Hans-Jürgen Urban.