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Flüchtlings-Debatte Kritik an Schulpflicht-Einschränkung

Müssen Flüchtlingskinder generell zur Schule gehen? Erfurts Oberbürgermeister meint Nein und erhält Kritik.

26.08.2015, 23:01

Erfurt (epd) l Der Thüringer SPD-Chef und Oberbürgermeister von Erfurt, Andreas Bausewein, hat die generelle Schulpflicht für Flüchtlingskinder infrage gestellt. Für Kinder, über deren Asylantrag noch nicht entschieden ist, müsse die gesetzliche Schulpflicht im laufenden Verfahren ausgesetzt werden, schreibt Bausewein in einem Offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Thüringens Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke). Heftige Kritik an Bauseweins Vorstoß äußerten am Mittwoch Gewerkschaften, Parteien, Kirchen und der Flüchtlingsrat.

SPD-Chef Sigmar Gabriel erteilte dem Vorschlag seines Parteikollegen eine klare Absage. „Der Vorschlag ist absolut falsch und hat deshalb auch keine Chance auf Realisierung“, sagte der Vizekanzler am Mittwoch in Berlin. „Bildung ist Kinderrrecht“, ergänzte Gabriel. Es sei „das Anständigste“, Kindern Bildung zugute kommen zu lassen.

Der Vorschlag sei gleichzeitig aber auch Ausdruck der Überforderung der Städte und Gemeinden mit der Flüchtlingssituation. Umso mehr müsse es bei dem angekündigten Flüchtlingstreffen von Bund und Ländern im September zu klaren Entlastungen der Kommunen kommen, betonte Gabriel.

Der innenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, erklärte, der Vorschlag zur Aussetzung der Schulpflicht bei Flüchtlingskindern sei aberwitzig. Menschenrechte von Flüchtlingen dürften nicht Spielball der Tagespolitik werden, sagte Beck.

Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack wies den Vorstoß Bauseweins als „absurd“ zurück. Bildung sei ein Menschenrecht, das selbstverständlich auch für Kinder von Asylbewerbern gelte. Allerdings bräuchten die Länder und Kommunen die Unterstützung des Bundes, um die Aufnahme der Flüchtlingskinder in den Schulen zu ermöglichen.

Laut einer Sprecherin der Erfurter Stadtverwaltung hat Bausewein auf seinen Vorschlag zahlreiche, „überwiegend positive“ Reaktionen aus der Bevölkerung erhalten. In seinem Brief betonte der Thüringer SPD-Chef, die Aussetzung der Schulpflicht müsse zumindest für Asylbewerber aus sicheren Herkunftsländern gelten. Die Anzahl der schulpflichtigen Kinder ohne Aufenthaltsstatus sei sehr hoch und die Kapazitäten der Schulen seien ausgereizt. Bei gleichbleibend hohen Flüchtlingszahlen müsse sogar über den Bau neuer Schulen nachgedacht werden.

Er wolle „kein weiteres Heidenau – weder in Erfurt noch in einer anderen Stadt“, schreibt Bausewein mit Blick auf die Angriffe auf die Flüchtlingsunterkunft und auf Polizisten in dem sachsischen Ort. Das Stadtoberhaupt fordert zudem, die Liste der sicheren Herkunftsländer „dringend“ zu überarbeiten.

Auch die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland lehnte den Vorstoß des Stadt-oberhauptes ab. Die Klugheit dieser Idee könne sie nicht erkennen, dem Kindeswohl diene sie jedenfalls nicht, sagte Bildungsdezernentin Martina Klein. Durch eine Umsetzung des Vorschlags würden die Kinder zu den Leidtragenden. Selbst wenn Flüchtlingskinder nur für kurze Zeit eine Schule besuchen würden, seien sie dort besser aufgehoben, als den ganzen Tag in einer Flüchtlingsunterkunft zu verbringen. Meinung