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Flüchtlingspolitik Polizei startet Einsatz in Flüchtlingsheim

Asylbewerber haben die Abschiebung eines Afrikaners aus der Erstaufnahmestelle Ellwangen verhindert. Die Polizei ist in der Unterkunft.

03.05.2018, 07:47

Ellwangen (dpa) l Hunderte Polizisten und bewaffnete Spezialkräfte besteigen Transporter. Viele tragen Sturmhauben. Im Schutz der Dunkelheit fahren sie in der Nacht zum Donnerstag zur einstigen Reinhardt-Kaserne am Rande der beschaulichen schwäbischen Stadt Ellwangen. Es ist früh am Morgen, als die Polizisten aussteigen und die Unterkünfte der Asylbewerber umzingeln. Dann kommt der letzte Befehl zum Start des Einsatzes. Er wird zu einer Machtdemonstration des Rechtsstaates – mit einer klaren Botschaft: so nicht.

Am Montag hatten in der Landeserstaufnahmestelle (LEA) rund 150 Afrikaner die geplante Abschiebung eines 23-Jährigen aus dem westafrikanischen Kleinstaat Togo mit Gewalt verhindert. Sie schlugen auf Streifenwagen ein und bedrängten Polizisten, die die Abschiebung des 23-Jährigen vollziehen sollten. "Rückzug!", lautete wenig später der Befehl aus dem zuständigen Polizeipräsidium Aalen. Der Mann aus Togo – von 1884 bis 1916 eine Kolonie Deutschlands – wird notgedrungen freigelassen.

In einer "so aggressiven und gewaltbereiten Ausnahmesituation" habe man verhindern wollen, dass es Verletzte gibt, erklärt später der stellvertretende Polizeipräsident Bernhard Weber. Und der Polizist aus Baden-Württemberg fügt hinzu: "Das Recht wird durchgesetzt werden, dafür stehen wir." Schließlich gehe es in Ellwangen um Straftatbestände wie Gefangenenbefreiung und Landfriedensbruch.

Statt Rückzug lautet der Befehl am Donnerstag Zugriff. Flüchtlinge springen nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur aus Fenstern und ziehen sich Blessuren zu. Auch einige Polizeibeamte seien leicht verletzt worden, hätten ihren Dienst aber fortsetzen können.

Angehörige des Rettungsdienstes "hatten zu tun", sagt vor Ort Polizeisprecher Bernhard Kohn. Rettungswagen sowie ein Notarztfahrzeug mit Blaulicht in Begleitung der Polizei verlassen die Flüchtlingsunterkunft vor laufenden Kameras. Die Reporter sehen auch, wie mehrere Männer – manche in Handschellen – innerhalb der LEA in Gewahrsam genommen und zur Vernehmung abgeführt werden.

Mindestens ein Mann wird dann in einem Gefangenentransporter an einen anderen Ort gebracht. Ob es sich dabei um den 23-Jährigen aus dem Togo handelt, an dem sich die gewalttätige Auseinandersetzung am Montag entzündet hatte, ist zunächst unklar.

Für die Stadt Ellwangen, vor allem aber für die Landesregierung und den zuständigen CDU-Innenminister Thomas Strobl, kommen die Geschehnisse rund um die Unterkunft in Ellwangen höchst ungelegen. Seit längerem hat die Landesregierung bei der Stadt um Verständnis geworben, dass die vor gut drei Jahren in der ehemaligen Kaserne eröffnete Flüchtlingseinrichtung länger bestehen bleibt als geplant.

Im Frühjahr 2020 endet der Vertrag. Über eine eventuelle Verlängerung sollen die Stadtverwaltung und der Gemeinderat entscheiden. Noch im April hatte der Stuttgarter Regierungspräsident Wolfgang Reimer (Grüne) erklärt, das "Interesse sowie die Hilfsbereitschaft und Unterstützung in der Bevölkerung sind weiterhin ungebrochen groß".

Baden-Württemberg hätte ohne diese Unterstützung die Folgen der Flüchtlingskrise des Jahres 2015 kaum bewältigen können, so Reimer. Kurzzeitig mussten in der Einrichtung in Ellwangen mehr als 4500 Menschen untergebracht werden, inzwischen hat sich die Zahl laut Behördenangaben zwischen 400 und 600 eingependelt.