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FlüchtlingspolitikWas sich an der Grenze ändern soll

Menschen werden ausgewiesen, bekommen eine Einreisesperre und können einfach erneut Asyl in Deutschland suchen?

19.06.2018, 23:01

Berlin (dpa) l Zwei Wochen gibt die CSU der Kanzlerin. Bis dahin soll Angela Merkel (CDU) sich mit anderen europäischen Ländern auf die Rücknahme von Migranten einigen. Für den Fall, dass das nicht klappt, hat Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sich schon etwas überlegt. Wichtige Fragen im Detail:

Kann im Moment jeder nach Deutschland kommen?
Nicht ganz. Bis hierher gelangen nur jene, die sich in der Regel mit Hilfe von Schleusern etwa über das Mittelmeer oder über den Balkan durchschlagen. Wer es nach Deutschland schafft, der kann Asyl beantragen – und zwar selbst dann, wenn er eigentlich mit einer Einreisesperre belegt ist. Das kann etwa der Fall nach einem gescheiterten Asylverfahren und anschließender Abschiebung sein.

Was will Seehofer ändern?
Menschen mit Einreisesperre sollen ab jetzt an der Grenze zurückgewiesen werden. Aktuell geschieht das meist nicht: Wer Asyl beantragt, hat Chancen auf ein neues Verfahren, selbst wenn er schon einmal gescheitert ist. Voraussetzung ist aber, dass er neue Gründe für Asyl vorbringen kann, wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) erklärt.

Sind derzeit gar keine Zurückweisungen möglich?
Im Einzelfall schon, erklärt der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Jörg Radek. Wer mit einer Einreisesperre kommt, muss demnach einen Fragebogen ausfüllen. Laut Radek kann die Bundespolizei Migranten auch direkt abweisen, wenn die Bundespolizisten keine neuen Asylgründe erkennen. Falls doch, ist erneut das Bamf am Zug. Wer gar nicht erst in Deutschland Asyl sucht, muss auch gehen.

Aber ist nach europäischen Regeln nicht das Ersteinreiseland zuständig?
Doch. Im Dublin-System ist in der Regel jenes Land für ein Asylverfahren zuständig, in dem ein Geflüchteter zuerst den Boden der EU betritt. Dieses Prinzip will Seehofer ab Juli gerne stärker durchsetzen. Dann soll jeder zurückgeschickt werden, der bereits in einem anderen EU-Land registriert ist – es sei denn, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) einigt sich bis dahin mit anderen Staaten auf "gleichwertige" Lösungen.

Ist das so einfach?
Das ist die Gretchenfrage. Abweichungen vom Dublin-Prinzip sind möglich, etwa wenn es Angehörige in einem anderen EU-Land gibt. Außerdem gibt es Regeln: Nach Artikel 29 der Dublin-Verordnung muss Deutschland ein eigenes Asylverfahren durchführen, wenn die Überstellung binnen sechs Monaten nicht gelingt. Und das klappt zumindest aktuell längst nicht immer.

Wozu wird das führen?
Falls alles läuft wie geplant, können weniger Menschen als bisher Asyl in Deutschland beantragen. Das würde sich früher oder später wohl auch in den Herkunftsländern der Migranten herumsprechen. Günther Burkhardt, Geschäftsführer von Pro Asyl, fürchtet zudem eine "Kettenreaktion der Zurückweisungen" in Europa, wenn das deutsche Beispiel Schule macht.

Es könnte aber durchaus auch zu unbeabsichtigten Effekten kommen. Wenn Durchreiseländer befürchten, dass sie registrierte Migranten zurücknehmen müssen, haben sie Anreize, gar nicht erst Personalien aufzunehmen. Eine solche Politik des "Durchwinkens" hat Deutschland Italien lange vorgehalten. Außerdem könnten sich Migranten stärker als bisher der Registrierung entziehen. Der Vorsitzende der Bundespolizeigewerkschaft, Ernst Walter, warnt zudem: "Wenn man die Kontrollen an den bayerischen Grenzen verstärkt, muss man das auch an anderen deutschen Grenzen tun, damit es keine Verlagerung gibt."

Um wie viele Menschen geht es?
"Die Zahl der Fälle ist am Ende eine Frage der Kontrolldichte", stellt Walter fest. Denn die Bundespolizei kontrolliert nur an drei Autobahnübergängen die Grenze zu Österreich. Bei der Schleierfahndung wird auch im Hinterland kontrolliert, aber natürlich nicht flächendeckend.

Rund 7500 Menschen wurden im vergangenen Jahr an deutschen Grenzen abgewiesen. Das geschieht zum Beispiel, wenn Schutzsuchende nicht in Deutschland Asyl beantragen, sondern etwa nach Schweden oder Dänemark weiterreisen wollen.

Im laufenden Jahr wurden bis Mitte Juni zudem 18.349 Asylsuchende in Deutschland aufgenommen, die bereits in der europäischen Fingerabdruckdatei Eurodac erfasst und damit in einem anderen EU-Land registriert waren. Das berichtete die "Passauer Neue Presse" kürzlich unter Berufung auf Zahlen des Innenministeriums. Solche Menschen will Seehofer auf Dauer schon an der Grenze zurückweisen.