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Flüchtlingsstrom Die Lage spitzt sich zu

Wieder versuchen Hunderte Migranten in die EU zu gelangen. Auch in Sachsen-Anhalt wird über eine Unterbringung diskutiert.

02.03.2020, 23:01

Athen/Istanbul/Berlin/Magdeburg (dpa) l Nach der von der Türkei verkündeten Öffnung der Grenze zur EU sind griechische Sicherheitskräfte abermals mit Blendgranaten und Tränengas gegen Hunderte Migranten vorgegangen. Diese hatten versucht, die Grenze bei Kastanies zu passieren und nach Griechenland und damit in die EU zu gelangen, wie das griechische Staatsfernsehen (ERT) berichtete. Die europäische Krisendiplomatie läuft angesichts der neuen Migrationswelle auf Hochtouren.

Am Dienstag wollen sich die Spitzen der EU ein eigenes Bild vom Geschehen an der Grenze machen. Nach UN-Angaben harren rund 13.000 Migranten bei Kälte auf der türkischen Grenzseite zu Griechenland aus. Viele wollen weiter Richtung Deutschland.

Der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis teilte mit, er werde heute EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, EU-Ratschef Charles Michel und Europaparlamentspräsident David Sassoli an der griechischen Landgrenze zur Türkei treffen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel kritisierte das Agieren des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan im Streit um europäische Unterstützung beim Umgang mit neuen syrischen Flüchtlingen scharf. Sie verstehe, dass die Türkei mit Blick auf die Massenflucht aus der umkämpften Stadt Idlib vor einer sehr großen Aufgabe stehe, sagte Merkel am Montag in Berlin. Sie verstehe auch, dass sich Erdogan dabei mehr von Europa erwarte. Es sei aber „inakzeptabel“, dies auf dem Rücken der Flüchtlinge auszutragen. „Das ist für mich nicht der Weg“, sagte Merkel. Die Kanzlerin kündigte an, mit der türkischen Regierung über eine Lösung sprechen zu wollen.

Die griechischen Sicherheitsbehörden versuchen, einen neuen Migrantenzustrom aus der Türkei zu stoppen. In den vergangenen 24 Stunden seien 9877 Menschen daran gehindert worden, aus der Türkei auf dem Landweg nach Griechenland zu kommen, hieß es am Montag aus dem Büro von Regierungssprecher Stelios Petsas. Am Grenzübergang von Kastanies am Grenzfluss Evros kam es nach einer ruhigen Nacht am Vormittag erneut zu Ausschreitungen. Die europäische Grenzschutzagentur Frontex will rasch auf das Hilfeersuchen Griechenlands wegen der Vielzahl von Flüchtlingen aus der Türkei reagieren.

Auf Bitten Griechenlands habe er eine rasche Intervention auf den Weg gebracht, teilte Frontex-Direktor Fabrice Leggeri in Warschau mit. Derzeit hänge die Arbeitsweise der Agentur aber von den EU-Mitgliedsstaaten ab. Diese könnten auf einen Stab mit 1500 Einsatzkräften sowie auf Ausrüstung zugreifen.

In Berlin warnte Regierungssprecher Steffen Seibert Flüchtlinge und Migranten in der Türkei vor einem Aufbruch Richtung Europa. „Wir erleben zurzeit an den Außengrenzen der EU zur Türkei, auf Land und zur See, eine sehr beunruhigende Situation. Wir erleben Flüchtlinge und Migranten, denen von türkischer Seite gesagt wird, der Weg in die EU sei nun offen, und das ist er nicht“, sagte Seibert.

Österreich und Ungarn betonten ihren gemeinsamen Willen zum Kampf gegen illegale Grenzübertritte. Österreich sei im Vergleich zur Migrationskrise 2015 inzwischen deutlich besser aufgestellt, sagte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem ungarischen Kollegen Sandor Pinter.

Die Türkei hat rund 3,6 Millionen Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen. In einem Flüchtlingspakt mit der EU von 2016 hat die Türkei eigentlich zugesagt, gegen illegale Migration vorzugehen. Im Gegenzug nimmt die EU regulär Syrer aus der Türkei auf. Ankara erhält zudem finanzielle Unterstützung für die Versorgung der Flüchtlinge im Land.

Angesichts der Lage an der türkisch-griechischen Grenze sollte Sachsen-Anhalt aus Sicht der Linken-Landtagsfraktion Flüchtlinge aus Griechenland aufnehmen. „Die Situation an den europäischen Außengrenzen ist unerträglich. Das Elend auf Lesbos an der türkischen Grenze ist der Preis für die niedrigen Zuzugszahlen in Deutschland und auch Sachsen-Anhalt“, erklärte die Fraktionssprecherin für Asyl und Migration, Henriette Quade, in Magdeburg. Sachsen-Anhalt habe nicht genutzte Kapazitäten, Flüchtlinge unterzubringen. Diese müssten nun vorbereitet werden. „Die Landesregierung muss nun alle ihre Möglichkeiten gegenüber dem Bund nutzen, um zu ermöglichen, dass Geflüchtete aus Griechenland schnell in Sachsen-Anhalt untergebracht werden können.“ Griechenland dürfe nicht mit der Versorgung der Menschen allein gelassen werden. Meinung