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Frankreich Der Wahlkampf kommt zur Sache

Im Duell der französischen Präsidentschaftskandidaten geht es auch um Skandale und Affären.

21.03.2017, 23:01

Paris l Jean-Luc Mélenchon platzt irgendwann der Kragen. Es ist einmal wieder vom Affärenwahlkampf in Frankreich die Rede. „Verzeihung, nicht ich!“, ruft der Linkspolitiker bei der ersten großen TV-Debatte mit seinen wichtigsten Konkurrenten der Präsidentenwahl in die Runde. Er wolle nicht mit anderen in einen Sack gesteckt werden, fährt Mélenchon fort. „Hier sind nur zwei Personen betroffen: Herr Fillon und Frau Le Pen“, meint der Kandidat mit der roten Krawatte, der wieder einmal sein Image als wortgewaltiger Volkstribun pflegt.

Das Reizthema Affären und Skandale spielt bei dem über dreistündigen Schlagabtausch vor Millionen Franzosen eine Schlüsselrolle. Seit Ende Januar gibt es im Wochentakt neue Enthüllungen um den Konservativen François Fillon, der seine Frau und seine Kinder im Parlament beschäftigte. Der 63 Jahre alte Ex-Premier und einstige Hoffnungsträger ist inzwischen mit einem Ermittlungsverfahren konfrontiert – angesichts des Umfangs der Vorwürfe ein einmaliger Vorgang.

Die Rechtspopulistin Marine Le Pen wehrt sich schon länger in der Affäre um fiktive Arbeitsverträge im Europaparlament. Die Justiz interessiert sich auch für eine US-Reise des damaligen Wirtschaftsministers und heutigen Kandidaten Emmanuel Macron. Der 39-Jährige steht dabei aber dem Vernehmen nach nicht im Mittelpunkt.

Inmitten des Skandalschlamassels lautet „Transparenz“ das neue Zauberwort. Macron nimmt es häufig in den Mund. Seine politische Bewegung En Marche! ist keine klassische Partei. Er werde mit privaten Spenden finanziert. 32 000 Geber hätten im Durchschnitt 50 Euro überwiesen. „Ich bin frei, die Finanzierung ist transparent“, bilanziert der Ex-Bankier, dem oft unterstellt wird, Wirtschaftsinteressen zu vertreten.Auf diesen Punkt schießen sich Konkurrenten am Tisch mit Wonne ein. Kein Wunder, denn Umfragen trauen dem Shooting-Star zu, Le Pen im entscheidenden zweiten Wahlgang im Mai zu schlagen – und damit Frankreich in der EU und im Euro zu halten.

Als die Chefin der rechtsextremen Front National anderen Kandidaten vorwirft, „nicht die Interessen der Franzosen“, sondern die großer Konzerne zu vertreten, fährt ihr Macron ganz schnell in die Parade: „Ich werde keine Verleumdung verbreiten lassen.“ Feuer bekommt der smarte Macron auch von links. Benoît Hamon will als Spitzenkandidat der Sozialisten und leidenschaftlicher Lobby-Kritiker eine Verpflichtung sehen, dass unter Macrons Mäzenen keine Vertreter der Pharma- oder Ölindustrie sind. „Wo kommen wir hin?“, entgegnet Macron. „Ich mache keine Identitätskontrolle. Das macht keinen Sinn.“ Merkwürdig ruhig ist es in der TV-Debatte um Fillon, der im Affärenstrudel der vergangenen Wochen viele Sympathiepunkte und sein Image als Saubermann verlor. In allgemeiner Form gesteht er Fehler ein – direkt gefragt wird er zu der Beschäftigungsaffäre aber nicht. Für mehr Transparenz und mehr Moral im politischen Leben will er eine hochrangige Kommission einsetzen, die Reformen vorschlagen soll.

Der 49 Jahre alte Ex-Bildungsminister Hamon kann sich einen Seitenhieb auf den Kandidaten der Bürgerlichen nicht verkneifen, der als einziger in der Runde richtig sparen will. „Mit Ihnen bekommt man 500 000 Beamte weniger. Sie sind sehr gut im Abziehen. Etwas weniger im Addieren, wenn es um Ihr eigenes Geld geht.“ Macron meint an Fillon gerichtet: „Ich bin nicht wie Sie seit 30 Jahren in der Politik.“

Die Tageszeitung „La Croix“ erinnert daran, dass Skandale vor Wahlen in Frankreich nichts Neues sind. So musste der damalige Weltwährungsfonds-Chef Dominique Strauss-Kahn sein Amt nach Vergewaltigungsvorwürfen aufgeben – und damit auch endgültig seine Hoffnung begraben, in seinem Heimatland 2012 zum Präsidentschaftskandidaten der Sozialisten aufzusteigen. Es setzte sich François Hollande durch, der nach einer glücklosen Amtszeit im Élyséepalast nicht wieder antritt. (dpa)