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Frankreich Überflieger in Turbulenzen

Am Montag ist Frankreichs Präsident Macron 100 Tage im Amt. Viele Franzosen sind enttäuscht.

20.08.2017, 23:01

Paris (dpa) l Nach zwei strahlenden Wahlsiegen schien es manchen, als könne Emmanuel Macron übers Wasser laufen. Doch viele Franzosen sehen die Bilanz seiner ersten 100 Tage skeptisch. Die Enthüllungszeitung „Le Canard Enchaîné“ spottete bereits, Frankreichs Präsident verbringe seinen Sommerurlaub an der „Côte d‘Impopularité“ – der „Küste der Unbeliebtheit“.

Nach drei Monaten im Élyséepalast sind die Umfrage-Zahlen für den Staatschef alarmierend. Nur 36 bis 37 Prozent der Franzosen sind laut Meinungsforschern zufrieden mit seiner Zwischenbilanz. Damit schneidet er schlechter ab als sein krachend gescheiterter Vorgänger François Hollande zur gleichen Zeit. Und nach der Sommerpause warten konfliktträchtige Großbaustellen.

Außenpolitisch setze sich der Jungstar zunächst geschickt in Szene. Er zeigte sich als starker Mann, der selbst mit noch so schwierigen Gesprächspartnern wie Donald Trump und Wladimir Putin umzugehen weiß. Mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beschwor er neuen Elan für Europa.

Doch die größten Konflikte lauern in der Innenpolitik. Nach der gewonnenen Parlamentswahl im Juni ist der Sozialliberale an die Arbeit gegangen: Strukturreformen sollen Frankreich wirtschaftlich fit machen und die hohe Arbeitslosigkeit bekämpfen. Doch weil es nun konkret wird, bietet er auch neue Angriffsflächen. Und zugleich gaben die Parlamentsneulinge seiner jungen Partei La République En Marche teils ein chaotisches Bild ab.

Für Streit sorgte etwa der Sparkurs der Regierung. 4,5 Milliarden Euro müssen in diesem Jahr gekürzt werden, um die europäische Defizitgrenze einzuhalten. Zwar verspricht Premier Edouard Philippe den Bürgern Milliarden-Steuererleichterungen – aber erst für 2018. Und zugleich rechneten Experten vor, dass diese den wohlhabendsten zehn Prozent der Franzosen am meisten zugute kommen.

Streit ums Geld führte auch zu einem der größten Aufreger: dem Rücktritt des Generalstabschefs Pierre de Villiers. Macron hatte ihn öffentlich abgekanzelt, als der General Kürzungen beim Militärbudget kritisiert hatte: „Ich bin Ihr Chef.“ Öl ins Feuer von Kritikern, die Macron vorwerfen, aus dem Élysée alles kontrollieren zu wollen. Zugleich hat sich Macron nach außen ein kalkuliertes Schweigen auferlegt: Er gibt kaum Interviews, die unter Hollande üblichen Hintergrundgespräche mit Journalisten sind gestrichen. So will er sich von seinen Vorgängern abgrenzen, denen ein wenig präsidiales Auftreten angekreidet wurde.

Stattdessen setzt Macron auf starke Bilder. Er empfing Kreml-Chef Putin im Schloss von Versailles und dinierte mit US-Präsident Trump im Eiffelturm. Er ließ sich von einem Helikopter auf ein Atomraketen-U-Boot abseilen und besuchte im schnittigen grünen Fliegerdress eine Luftwaffenbasis. Bilder wie im Actionfilm „Top Gun“, spotteten manche, denen das etwas zu viel PR-Aktion ist.

Angestoßen hat Macron gravierende Änderungen bei Arbeit und Rente. Das Parlament gab schon grünes Licht für die Regierungspläne, das Arbeitsrecht zu lockern. Dort steht die Nagelprobe aber erst noch bevor: Die Reform soll im September umgesetzt werden.

Falls Gewerkschaften dagegen mobil machen, könnte ein heißer Herbst bevorstehen. Und diese Reform soll nur der Auftakt sein für weitere knifflige Veränderungen etwa bei der Arbeitslosenversicherung und beim Rentensystem.

Seinem Vorgänger Hollande war oft vorgeworfen worden, nicht genug Mut zu großen Reformen aufgebracht zu haben. Daraus hat Macron seine Schlüsse gezogen, die Strategie ist klar: streitträchtige Veränderungen vor allem auf dem Arbeitsmarkt gleich am Anfang machen, um dann möglichst bald Ergebnisse vorweisen zu können.

Damit das Kalkül aufgeht, muss Macron aufs Tempo drücken. Die Sommerpause fällt für den 39-Jährigen daher kurz aus, nicht einmal zwei Wochen Urlaub hat er sich gegönnt. Seine Devise hat Macron schon am Tag des Wahsiegs so formuliert: „Wir haben das Recht gewonnen, Risiken einzugehen.“