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Fremdenfeindlichkeit Rechtsextreme Krawalle und die Schuldfrage

Konfliktforscherin Beate Küpper sprach im Deutschlandfunk-Interview über die rechtsextremen Ausschreitungen in Chemnitz und die Schuldfrage.

29.08.2018, 23:01

Mönchengladbach (dpa) l Beate Küpper, Konfliktforscherin an der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach, äußerte sich im Deutschlandfunk-Interview mit Dirk-Oliver Heckmann zu den Hintergründen und Ereignissen in Chemnitz.

Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) sprach von einer neuen Dimension der Eskalation. Sehen Sie das auch so?
Beate Küpper:
Ja und nein. Wir hatten in der Vergangenheit beispielsweise mit Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen schon mal solche pogromhaften Stimmungen, wie wir sie jetzt gerade in Chemnitz sehen mussten. Neu ist, dass die rassistische Mobilisierung wahnsinnig schnell gegangen ist. Und was wir ganz deutlich sehen ist, dass die alten Nazis zusammen mit den Neuen Nazis zu Demonstrationen aufrufen. Das ist der organisierte Rechtsextremismus, der hoch gewalterfahren und gewaltbereit ist. Und was wirklich neu ist, ist dass hier die Fratze ganz deutlich sichtbar wurde. Da kann jetzt keiner mehr von besorgten Bürgern sprechen.

Wie kommt es zu diesen Entwicklungen?
Ganz überraschend ist das leider nicht. Sachsen wollte lange Zeit nicht wahrhaben, dass es ein Problem mit Rechtsextremismus hat. Wer das Problem nicht benennt und nicht sehen will, der kann auch nicht adäquat handeln.

Kurt Biedenkopf hatte damals gesagt, die Sachsen seien immun gegen Rechtsextremismus.
Das war ganz fatal, denn das hat verhindert, dass in Sachsen konsequent gegen Rechtsextremismus gehandelt wurde. Da können wir seit vielen Jahren eine gewisse Herumeierei sehen. Die Rechten haben auf so etwas wie jetzt gewartet. Bemerkenswert ist aber die Geschwindigkeit der Mobilisierung.

Wie ist die zu erklären? Soziale Netzwerke?
Eine Rolle spielt, dass die Rechten sich sehr gut organisiert haben, sehr gut vernetzt sind und auf so ein Trigger-Ereignis, wie es jetzt passiert ist, geradezu gewartet haben. Die sozialen Medien spielen da eine wichtige Rolle für die Mobilisierung und auch die Verbreitung. Wir finden gerade im Netz Aufrufe in ganz Ostdeutschland, nach Chemnitz zu kommen und sogar Aufrufe in NRW zu Solidaritätskundgebungen. Gleichzeitig spielen die sozialen Netzwerke auch deswegen eine so fatale Rolle, weil sie in Teilen auch zugänglich sind für andere, die dadurch mit in diese Radikalisierung hineingezogen werden.

Spielt auch der Opfermythos eine Rolle?
Genau. Die Erzählung, selbst Opfer zu sein, ist ganz wichtig für den Rechtspopulismus und -extremismus. Dies wird ja auch durch AfD-Politiker aufgegriffen, die davon sprechen, das sei ja erklärbar, wenn Bürger das Gesetz in die eigene Hand nehmen würden.

Was würden Sie den handelnden Politikern jetzt empfehlen?
Es sind jetzt schon richtige Dinge getan worden, nämlich das Problem ganz klar sehen zu wollen und auch ganz klar zu benennen. Da würde ich auch dem Ministerpräsidenten Kretschmer empfehlen und nicht nur auf das Image des Landes zu schauen. In Sachsen gibt es viele zivilgesellschaftliche Bündnisse. Die brauchen Rückendeckung.

Haben Sie einen Ratschlag für die Zivilgesellschaft?
Die Zivilgesellschaft hat in einigen Orten wirklich ein schweres Los. Die Leute werden auch selbst bedroht. Wichtig ist, dass der Rest der Gesellschaft Solidarität zeigt.