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G7-Gipfel  Klub der Streithähne in Kanada

Was ist nach gut einem Jahr Trump noch übrig von der westlichen Wertegemeinschaft? Der G7-Gipfel in Kanada wird darauf eine Antwort geben.

07.06.2018, 23:01

Québec (dpa) l Es ist fast genau ein Jahr her, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem Bierzelt im Münchner Stadtteil Trudering die bittere Erkenntnis vom Niedergang der transatlantischen Partnerschaft erstmals offen aussprach. Gerade hatte sie zwei Tage mit US-Präsident Donald Trump verbracht, beim G-7-Gipfel im Ferienort Taormina auf Sizilien. Sie hatte ein einziges Desaster erlebt.

Erstmals in der mehr als 40-jährigen Geschichte des exklusiven Clubs führender westlicher Wirtschaftsmächte konnte man sich bei einem wichtigen Thema noch nicht einmal auf einen kleinsten Nenner einigen. Der Klimaschutz dividierte die 7 in 6 plus 1 auseinander. Merkels Fazit in Trudering: „Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei, das habe ich in den letzten Tagen erlebt.“

Seitdem hat sich das Beziehungsdrama zwischen den USA und ihren europäischen Bündnispartnern weiter zugespitzt. Wenn die Staats- und Regierungschefs von Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan und Kanada heute in einem Luxushotel im kanadischen La Malbaie mit Trump zusammenkommen, türmt sich vor ihnen ein Scherbenhaufen auf, der die Gemeinsamkeiten dahinter kaum noch erkennen lässt.

Im Streit um das vom US-Präsidenten aufgekündigte Atomabkommen mit dem Iran stehen sich beide Seiten unversöhnlich gegenüber. Pünktlich zum 44. G-7-Gipfel hat Trump mit seinen Strafzöllen auf Stahl und Aluminium auch noch den Handelsstreit mit der EU eskalieren lassen. Von Klimaschutz redet schon gar keiner mehr.

Diesmal wird es bereits als Erfolg gelten, wenn überhaupt noch eine gemeinsame Abschlusserklärung zustande kommt. Das unterkühlte G-7-Finanzministertreffen am vergangenen Wochenende gab einen Vorgeschmack darauf, was beim Gipfeltreffen in der Urlaubsidylle am mächtigen Sankt-Lorenz-Strom in der Provinz Quebec zu erwarten ist.

Das Vokabular, mit dem das transatlantische Verhältnis in Europa dieser Tage beschrieben wird, könnte düsterer kaum sein. „Ein Komet ist eingeschlagen in die internationale Ordnung, ein Komet namens Donald Trump“, sagte Ex-Außenminister Joschka Fischer kürzlich. Und der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, sieht einen „Epochenbruch“ in der Geschichte des Westens.

Ischinger kennt sich mit transatlantischen Krisen bestens aus. 2002/2003 war er deutscher Botschafter in Washington, als Frankreich und Deutschland dem damaligen US-Präsidenten George W. Bush im Irak die Gefolgschaft verweigerten und so die bis dahin wohl tiefste transatlantische Krise der Nachkriegszeit auslösten.

Anders als heute sei es damals aber nur um eine Meinungsverschiedenheit in einer Einzelfrage gegangen, sagt Ischinger. „Was wir jetzt haben, ist ein sehr viel schwerwiegenderer Vorgang, weil mit ihm Grundelemente des Westens und westlicher Werte ins Wanken geraten.“

Was die Konsequenz aus der Krise angeht, ist man sich in der EU ziemlich einig: Europa muss lernen, auf eigenen Beinen zu stehen – vor allem im Sicherheitsbereich, wo man seit Jahrzehnten von der militärischen Stärke der USA abhängig ist und abhängig sein wollte.

Trump ist das Verhältnis zu Europa augenscheinlich ziemlich egal. Er ist vieles, ein Transatlantiker ist er gewiss nicht. Europäische Themen spielten bei seiner Wahl keine Rolle, und seinen Anhängern ist dieser Kontinent so lange sehr fern, wie ihr Präsident ihn nicht zum Teil eines globaleren Problems verzerrt: eine Welt, gebaut zum Schaden der USA.

„Trump wird das Narrativ seiner Politik nicht ändern“, sagte ein US-Senator am 7. Mai bei einem Treffen der Atlantik-Brücke in Washington: „Um jeden Preis will er die USA weiter abschotten von Entwicklungen in der Welt, die die Menschen verunsichern.“

Der US-Präsident gibt nichts auf Tradition, seine Politik macht er ohne Geschichte. In seiner Welt ist er das Zentrum und alleinige Gnadensonne. Bauch und Gefühle sind wichtiger als Partnerschaft und Diplomatie. Wenn die Welt unsicherer wird, nimmt er das in Kauf, ist ja nicht seine. Er ist am kurzfristigen Erfolg interessiert, nicht an langen Linien. Zum Gipfel nach Quebec wird Trump nicht mit offenen Händen kommen, sondern mit verschränkten Armen. Schöne Bilder wird es geben, aber nicht von der europäischen Faust in der Tasche.

Nüchtern bilanziert ein Diplomat in den USA den Stand der Dinge so: „Die europäische Perspektive der USA verblasst“ – allerdings sei dies keine Erfindung Trumps. Der habe nur eine Vorschattierung seines Vorgängers weitergezogen. „Wir sprechen von einem Rückzug der USA als westliche Führungsnation“, sagt der Mann etwas traurig: „Die USA fallen in die alte Rolle einer eigenständigen, eigenwilligen Nation zurück.“ Für Trumps Regierung sei die Welt eine Arena feindlicher Kräfte.