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Gefahr in Fernost Korea könnte in Krieg hineinschlittern

Horst Teltschik ist auch in Sachsen-Anhalt als Politik-Experte bekannt. Er setzt sich für internationale Entspannung ein.

Von Steffen Honig 11.05.2017, 01:01

Herr Teltschik, Sie sind vielen noch als Berater von Altkanzler Helmut Kohl und späterer Chef der Münchner Sicherheitskonferenz bekannt. Was machen Sie heute?

Horst Teltschik: Ich werde in Kürze 77 Jahre alt, da habe ich keine festen Verpflichtungen mehr. Ich halte Vorträge in Deutschland sowie international. Zudem bin ich in verschiedenen Beratungsgremien. So gehöre ich dem Präsidium des deutsch-russischen Rohstoffforums an, das auf der Kooperation zwischen der Bergakademie Freiberg mit der Bergbauuniversität in St. Petersburg beruht. Gerade komme ich aus Seoul, dort tagte die koreanisch-deutsche Beratungsgruppe zu Wiedervereinigungsfragen, in der ich seit sieben Jahren mitarbeite.

Ihr Besuch fiel in eine Zeit der Zuspitzung der Beziehungen zwischen Nord- und Südkorea. Welche Rolle spielte der Konflikt bei den Gesprächen?

Die verschärfte Lage warf ernste Fragen auf: Wie geht man mit dem neuen amerikanischen Präsidenten Trump um? Wie kann man die Krise unter Kontrolle halten oder gar befrieden? Ich habe erläutert, wie die Bundesregierung unter Helmut Kohl im Kalten Krieg mit den USA und der UdSSR umgegangen ist.

Wir hatten ja von 1982 bis 1984 auch einen Höhepunkt des Ost-West-Konfliktes. Damals hat uns der sowjetische Parteichef Andropow mit einem Dritten Weltkrieg gedroht, wenn wir amerikanische Mittelstreckenraketen stationieren. Wir haben diskutiert, was unsere Erfahrungen im Umgang mit den USA sind, um zu verhindern, dass die amerikanischen Partner sich über die Interessen ihrer Verbündeten hinwegsetzen. Debattiert wurde auch, wie man mit einem Gegner wie Nordkorea umgeht. Südkorea hat vor einigen Jahren eine „Sonnenschein-Politik“ praktiziert. Ich halte den Ansatz für richtig, mit Nordkorea wieder eine Politik der Zusammenarbeit aufzunehmen, wie es der neue Präsident Moon Jae In angekündigt hat.

Wäre hilfreich, wenn sich US-Präsident Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un treffen würden?

Trump hat erklärt, dass er sich geehrt fühlen würde, wenn er mit Kim zusammenträfe. Die Frage ist: Wo? Er könnte ihn wie den philippinischen Autokraten Duterte nach Washington einladen. Am besten wäre wohl eine Begegnung in Peking. Allerdings hat sich der chinesische Präsident Xi Jin-ping noch nie mit Kim getroffen. Vielleicht wäre es ganz nützlich, wenn sich alle drei in Peking begegnen würden.

Glauben Sie, dass in Korea tatsächlich ein Krieg ausbrechen könnte?

Der unberechenbare US-Präsident schwankt zwischen Gewaltandrohung und Dialogbereitschaft, Nordkoreas Machthaber reagiert sofort aggressiv. Die Gefahr ist, dass Korea unbeabsichtigt in einen Krieg hineinschlittert. Deshalb muss man schon nach dem Sinn der ständigen Manöver von US-Truppen und südkoreanischer Armee fragen – wissend, wie aggressiv die Nordkoreaner darauf reagieren.

Sie machen sich für eine Dialogpolitik stark und zeigen das durch Ihre Unterschrift bei der Initiative „Neue Entspannungspolitik jetzt!“. Sind wir wieder in 1980er Jahren?

Der unberechenbare US-Präsident schwankt zwischen Gewaltandrohung und Dialogbereitschaft, Nordkoreas Machthaber reagiert sofort aggressiv. Die Gefahr ist, dass Korea unbeabsichtigt in einen Krieg hineinschlittert. Deshalb muss man schon nach dem Sinn der ständigen Manöver von US-Truppen und südkoreanischer Armee fragen – wissend, wie aggressiv die Nordkoreaner darauf reagieren.

An der Lomonossow-Universität in Moskau bin ich vor Hunderten Studenten aufgetreten, die nach dem Ende des Kommunismus geboren wurden. Ihre Interessen wie ihr Auftreten unterscheiden sich nicht sehr von der westlichen Jugend. Auch die jüngsten Demonstrationen richteten sich nicht gegen Putin, sondern gegen Korruption und Verletzung menschlicher Würde. Wichtiger denn je sind – wie wir es auch zwischen der Bundessrepublik und der DDR angestrebt haben – möglichst viele persönliche Kontakte und Begegnungen auf allen Ebenen. Wir haben in den vergangenen 25 Jahren viel erreicht: Es gibt fast 100 Städtepartnerschaften, wir haben Jugend- und Studentenaustausch und einen sich wieder intensivierenden Wirtschafts- und Wissenschaftsaustausch. Diese Kontakte dürfen nicht kaputt gemacht werden, sondern müssen ausgebaut werden.

Dagegen stehen die Wirtschaftssanktionen gegen Russland.

Ich war von Anfang an gegen diese Sanktionen. Ich habe das Motiv verstanden, irgendwie wollte und musste der Westen auf die Annexion der Krim und die Entwicklung in der Ostukraine reagieren. Aber meine Erfahrung in der Politik war, dass Wirtschaftssanktionen nicht die Verantwortlichen treffen, sondern die normalen Bürger.

Eine persönliche Frage: Haben Sie noch Kontakt zu Helmut Kohl?

Nein, seine Gesundheit ist dafür zu sehr angegriffen. Das letzte Mal haben wir uns vor zwei Jahren gesehen.