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GesundheitRaucher-Werbung verschwindet von Plakaten

Plakatreklame für klassische Tabakprodukte soll ab 2022 verboten werden. Auch für E-Zigaretten gibt es Einschränkungen.

10.12.2019, 23:01

Berlin (dpa) l In der Koalition deutet sich nach langem Ringen eine gemeinsame Linie bei weiteren Werbebeschränkungen fürs Rauchen an. Die SPD begrüßte Bewegung bei der Union, zu einem gestaffelten Verbot der Plakatwerbung ab 2022 zu kommen. SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Ich bin froh, dass nach jahrelanger Blockade bei der Union jetzt offenbar klare Bereitschaft besteht, endlich einem umfassenden Verbot der Tabakaußenwerbung zuzustimmen.“ Die zuständige Ministerin Julia Klöckner und ihr Gesundheitskollege Jens Spahn (beide CDU) sprachen sich dafür aus.

Die Unionsfraktion im Bundestag stimmte über ein Positionspapier ab. Geplant ist demnach für klassische Tabakprodukte ein Verbot der Plakatwerbung ab 1. Januar 2022. Für Tabakerhitzer soll ein weitgehendes Außenwerbeverbot ab 1. Januar 2023 greifen, für E-Zigaretten ab 1. Januar 2024. Schon ab 1. Januar 2021 tabu sein soll unter anderem Kinowerbung bei allen Filmen, die für Jugendliche unter 18 Jahren freigegeben sind.

Klöckner, die auch für gesundheitlichen Verbraucherschutz zuständig ist, sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Egal ob Filter- oder E-Zigarette: Nikotinhaltige Produkte sollten nicht beworben werden dürfen. Weder im Kino noch auf Plakaten.“

Die Koalitionsabgeordneten seien dabei, sich über eine gemeinsame Gesetzesinitiative zu verständigen. Spahn sagte am Dienstag: „Jedes Jahr sterben bei uns über 120 000 Menschen an den Folgen des Rauchens. Deswegen sollten wir vor Tabak warnen und nicht dafür werben.“ Jeder junge Mensch, der so vor einer „Raucherkarriere“ bewahrt werden könne, sei ein umfassendes Tabakwerbeverbot wert.

Über einen neuen Anlauf verhandelt die Koalition seit mehreren Monaten, nachdem die Union generellen Widerstand aufgegeben hatte. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich für ein Verbot ausgesprochen und „eine Haltung“ dazu bis Jahresende in Aussicht gestellt.

In der vorigen Wahlperiode war ein Anlauf an der Union gescheitert. Das Kabinett stimmte 2016 einem Entwurf des Ernährungsministeriums zu, Werbung auf Plakatwänden und im Kino ab 2020 weitgehend zu verbieten. Das Gesetz wurde im Bundestag aber nie beschlossen. Verboten ist Tabakwerbung etwa schon in Radio und TV, Zeitungen und Zeitschriften.

In den Blick nehmen wollen Union und SPD auch Gesundheitsrisiken bei E-Zigaretten. „Wir werden sicherstellen, dass die Inhaltsstoffe der E-Zigaretten besser erforscht, kontinuierlich kontrolliert und wo notwendig, klar verboten werden“, sagte der SPD-Politiker Miersch.

Die Union hat sich für ein „Verbraucher- und Jugendschutzpaket“ stark gemacht, um Inhaltsstoffe nikotinfreier Liquids so zu regeln wie bei nikotinhaltigen. Wer auf Nikotin verzichte, sei bisher ungeschützter, hatte Fraktionsvize Gitta Connemann (CDU) gesagt. „Das ist absurd.“

Druck für umfassende Werbeverbote machen Mediziner und auch die Bundesdrogenbeauftragte Daniela Ludwig (CSU). Ärztepräsident Klaus Reinhardt hatte kritisiert: „Es ist unverständlich, dass wir das Werbeverbot als letztes Land in der EU immer noch nicht vollständig durchgesetzt haben.“ Die Ärzteschaft sei klar für ein generelles Verbot, auch für E-Zigaretten. „Da kann man der Industrie nicht entgegenkommen. Rauchen ist schädlich, Punkt.“ Ludwig sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Dienstag): „Wir brauchen in Deutschland endlich ein Werbeverbot für Tabakprodukte.“

Deutschland ist auch einer Konvention der Weltgesundheitsorganisation WHO beigetreten, die weitere Werbeverbote vorsieht. Die Tabakbranche warnt dagegen vor „unverhältnismäßigen Grundrechtseingriffen“ in die Freiheit zu werben. Maßgebend für den Rauchbeginn besonders von Minderjährigen sei das Rauchverhalten im Freundeskreis und in der Familie – nicht Tabak-Werbung. FDP-Fraktionsvize Frank Sitta warnte vor „bevormundender Symbolpolitik mit falschen Nebenwirkungen“.

Die Zahl minderjähriger Raucher sei zurückgegangen. Ein komplettes Werbeverbot erschwerte zudem „risikoärmeren Innovationen“ den Zugang zum Markt.