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Gesundheit Bessere Verteilung von Kinderarztpraxen

In Niedersachsen und Bremen gibt es genug Kinderarztpraxen. Probleme gibt es dennoch.

21.12.2018, 14:41

Hannover (dpa) l Einige Kinderarztpraxen in Niedersachsen nehmen zeitweise keine neuen Patienten mehr auf, weil sie zu stark ausgelastet sind. Angesichts des teilweise existierenden regionalen Mangels an Kinderärzten hat die Kassenärztliche Vereinigung deswegen eine bessere Erreichbarkeit der Praxen in Niedersachsen gefordert. Insgesamt seien die Ärzte deutlich stärker belastet als früher, sagte der Sprecher der Vereinigung KVN, Detlef Haffke. "Die Inanspruchnahme von Kinderärzten ist explodiert", sagte er.

Ein Grund dafür sei zum Beispiel, dass die Vorsorgeuntersuchungen ausgeweitet worden seien, die sogenannten U-Untersuchungen. Die Untersuchung von Sprachfähigkeiten der Kinder und Leistungsstörungen koste Zeit – auch schickten immer mehr Eltern ihre kranken Kinder zum Arzt, um ein Attest für die Schule zu bekommen. "Das führt dazu, dass einige Praxen der Nachfrage nicht mehr gerecht werden können und zeitweise keine neuen Patienten mehr aufnehmen", sagte Haffke.

In Niedersachsen sind derzeit nach KVN-Angaben 504 Kinderärzte im Land tätig, im Jahr 2000 waren es landesweit nur 456. Statistisch ist das fast in allen Regionen eine Überversorgung.

Praktisch gibt es aber dennoch Lücken. Im sehr ländlich geprägten Kreis Holzminden an der Weser etwa könnte sich derzeit noch ein Kinderarzt niederlassen, dort liege die rechnerische Versorgung unter 75 Prozent, erklärte der KNV-Sprecher.

Die Ärzte in Niedersachsen kümmern sich im Schnitt am Tag um 50 bis 100 kleine Patienten, wie der Landesverbandsvorsitzende der Kinder und Jugendärzte, Tilman Kaethner, sagte. Er betreibt seine Praxis in Nordenham im Kreis Wesermarsch. Der Mediziner ist skeptisch, dass sich die Lücken in der Versorgung schnell schließen lassen.

Selbst wenn vor allem auf dem Land mehr Kinderärzte zugelassen würden, fehle es an Nachwuchs. Viele seiner Kollegen fänden keine Nachfolger, die ihre Praxis übernehmen wollten. Der Arzt betonte aber auch: "Bei uns ist ein Termin innerhalb der nächsten Tage möglich." Viele Probleme ließen sich nicht drei Monate lang schieben.

Die hohe Nachfrage bedeutet, dass Eltern nicht immer sofort den Arzt finden, den sie gerne hätten und dass sie im ländlichen Raum teils lange Fahrtwege haben. Maximal könne es zu Anfahrtszeiten von bis zu 60 Minuten kommen, wie aus einer Antwort der niedersächsische Landesregierung unter Verweis auf die KVN hervorgeht. In Goslar im Harz etwa liegt der nächste kinderärztliche Bereitschaftsdienst 35 Kilometer entfernt in Salzgitter-Lebenstedt.

Wie viele Kassenarzt-Praxen erlaubt sind, ist streng geregelt. Grundlagen dafür sind ein Bundesgesetz und die sogenannte Bedarfsplanung, die den Kassenärztlichen Vereinigungen als Grundlage für regionale Pläne dient. "Das ist graue Theorie und hat mit Versorgungsrealitäten vor Ort wenig zu tun", kritisierte der KVN-Sprecher.

Die KVN, das Ministerium sowie der Landesverband der Kinderärzte hoffen nun darauf, dass die Bedarfsplanung wie von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) angekündigt, nun demnächst angepasst wird. Der CDU-Politiker will per Gesetz für eine bessere Versorgung sorgen. Auch das Gesundheitsministerium in Hannover sieht mehr Bedarf. Gerade junge Eltern müssten sich bei einer Erkrankung ihrer Kinder schnell und unkompliziert ärztlichen Rat holen können.

Bei der AOK Niedersachsen kommt derweil wenig Verdruss an. "Speziell bei der Arztgruppe Kinderärzte hören wir von unseren Versicherten nur äußerst selten von Problemen", sagte Sprecher Carsten Sievers. Er wisse nur von Einzelfällen, in denen Eltern ihre Kinder etwa nach einem Umzug nicht sofort in einer ortsnahe Kinderarztpraxis als Neupatienten betreuen lassen könnten und ein längerer Weg entstehe.

Im Land Bremen ist die Lage – rein statistisch betrachtet – gut: In Bremerhaven kümmern sich 11 Ärzte, in Bremen 56,5 Ärzte um jeweils durchschnittlich 2405 junge Patienten. In Bremerhaven liegt der Versorgungsgrad damit statistisch bei 135 Prozent, in Bremen sogar bei 142 Prozent – und trotzdem gab es auch dort zuletzt Engpässe. Nachdem mehrere dort ansässige Praxen erklärt hatten, überlastet zu sein, gab es im Sommer für den Bereich Bremen-Nord eine sogenannte Sonderbedarfszulassung mit zwei halben Stellen zusätzlich.