1. Startseite
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Politik
  6. >
  7. Kasinobetreiber wehren sich gegen Reformen

Glücksspiel Kasinobetreiber wehren sich gegen Reformen

Wegen neuen Regelungen werden seit Juli zahlreiche legale Spielhallen geschlossen - teils per Los. Viele Betreiber ziehen vor Gericht.

19.09.2017, 09:37

Berlin (dpa) l Es kommt alles andere als überraschend: Seit Anfang Juli werden Kommunen mit Klagen der Glücksspielbranche überzogen. Grund sind die schärferen Vorgaben für Betreiber von Spielhallen, die nach einer Übergangsphase in den meisten Bundesländern im Juli in Kraft getreten sind. Erste Städte machen ernst und haben die Schließung von Spielhallen verfügt – teils per Losentscheid.

Die Branche läuft Sturm. Tausende Gerichtsverfahren werden erwartet. Schon jetzt sind nach konservativen Erhebungen der Branche mehr als 3000 Verfahren um die Schließung von Spielstätten anhängig – am Ende könnten es sogar 30 000 sein. Wegen fehlender eindeutiger Kriterien herrscht in vielen Stadtverwaltungen Ratlosigkeit.

Schuld ist die Reform des Glücksspielstaatsvertrages. Seit Anfang Juli gelten Beschränkungen für legale Spielhallen. Deren Zahl soll reduziert werden – etwa über Mindestabstände. Auch soll es keine Mehrfachkonzessionen für Spielhallen in einem Gebäudekomplex mehr geben. Die schärferen Vorgaben sind nach fünfjähriger Übergangsfrist in Kraft getreten, in einigen Bundesländern gelten sie demnächst.

Die Anforderungen fallen aber unterschiedlich aus. Die jeweiligen Mindestabstände etwa variieren von Land zu Land. Auch andere Kriterien sind unklar – etwa bei der Frage, welchen Betreiber es am Ende treffen soll, wenn in einem Viertel mehrere Casinos die Mindestabstände nicht einhalten. Um hier ein "Konkurrenzverhältnis" aufzulösen, wird schon mal ein Losverfahren herangezogen. Hinzu kommt: "Café-Casinos" ohne staatliche Konzession und Vorgaben zum Spielerschutz fallen der Branche zufolge nicht unter die Regeln.

Nach Angaben der Automatenbranche gibt es in Deutschland etwa 18 000 Konzessionen zum Betrieb vom Spielhallen. Die Hälfte davon solle durch die Abstandsregelungen wegfallen. Der Wegfall jeder einzelnen Konzession werde gleich mehrfach beklagt, drohten die Betreiber schon früh an. Was die hohe Zahl der zu erwartenden Klagen erklärt.

Die ersten Kommunen haben dennoch gehandelt. Mit der Folge, dass sie nicht nur Steuereinnahmen verlieren, sondern auch Ärger mit den Verfahren haben. Beim Deutschen Städtetag gibt man sich gelassen. "Die Städte sind zuversichtlich, dass sie die entsprechenden Entscheidungen zur Schließung von Spielhallen rechtssicher werden treffen können", meint Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy.

Die konsequente Anwendung des Glückspielstaatsvertrages nach dem Ende der Übergangsfristen liege im Interesse der Städte, sagt Dedy. Sie leisteten einen Beitrag zur Eindämmung der Spielsucht: "Ganz sicher wird das zu insgesamt weniger Glückspielangeboten und Spielhallen führen." Das Abstandsgebot zu Einrichtungen für Kinder und Jugendliche helfe bei der Vorbeugung vor Suchtgefahren.

Nur: Die Länderfront beim Glücksspielstaatsvertrag bröckelt. Die im März von den Bundesländern auf Druck auch der EU-Kommission mühsam ausgehandelte Reform dürfte scheitern. Die sieht zwar eine Öffnung des Sportwettenmarktes für Private vor, klammert das boomende illegale Online-Glücksspiel aber aus. Die neue "Jamaika"-Koalition aus CDU, FDP und Grünen in Schleswig-Holstein zieht nun nicht mit. Auch andere Länder mit FDP-Regierungsbeteiligung könnten Nein sagen. Damit aber der Glücksspielvertrag Gesetzeskraft wird, müssten alle 16 Länder ihn in seiner jetzigen Form ratifizieren.

Was die jahrelange Unsicherheit bei der Glücksspiel-Regulierung zusätzlich vergrößert. Zuständig sind überwiegend die Länder, die um ihr Monopol kämpfen. Der Bund ist fürs gewerbliche Spielrecht zuständig, also für Anforderungen an die Aufsteller von Geldspielgeräten. Das Spielhallenrecht liegt in der Hand der Länder.

Die Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, Iris Gleicke, kritisierte die Umsetzung des Spielhallenrechts der Länder: "Eine auslegungsbedürftige Härtefallklausel, unterschiedliche Auslegungen und ein damit alles andere als einheitlicher Vollzug in den Ländern führen zu großer Verunsicherung." Gleicke forderte, die zu schützen, die sich an die Regeln halten: "Und alles, was illegal ist, trägt maßgeblich zum nicht besonders positiven Image der Branche bei."

Was im Sinne von Unternehmen wie Löwen Entertainment ist. Der Automatenhersteller ist mit über 450 Spielhallen unter der Marke Admiral nach eigenen Angaben der größte Anbieter in Deutschland. Manager Daniel Henzgen wirft den Ländern vor, "Blinde Kuh" und zugleich "Schwarzer Peter" zu spielen: "Man verschießt die Augen vor den wahren Problemen und wälzt die Verantwortung auf die Kommunen ab." Anstatt konsequent gegen Illegale vorzugehen, werde legalen Spielhallen der Krieg erklärt und deren Zahl halbiert: "Die Illegalen bekommen dann die Marktanteile geschenkt."