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Integration Die "kleine Uno" in Magdeburg

Krysztof Blau will Sachsen-Anhalts Auslandsgesellschaft als Brücke zwischen Deutschen und Migranten stärken.

Von Steffen Honig 27.07.2018, 11:45

Magdeburg l Die Auslandsgesellschaft von Sachsen-Anhalt wird seit Mai 2018 von Krysztof Blau geleitet. Im Interview spricht er über seine Ambitionen.

Sie sind nach 14 Jahren von der Industrie- und Handelskammer zur Auslandsgesellschaft gewechselt. Warum dieser Tausch von Wirtschaft gegen Zivilgesellschaft?
Krzysztof Blau: Ich habe sehr gern bei der IHK Magdeburg gearbeitet und meine Wechselentscheidung reiflich überlegt. Ich war bereits zehn Jahre Vorstandsvorsitzender der Auslandsgesellschaft Sachsen-Anhalt im Ehrenamt. Als die Geschäftsführung vakant wurde, habe ich mich der Verantwortung für die Fortführung der Vereinsarbeit hier gestellt. Ich sehe das als Chance, die Erfahrungen, die ich als Europa-Referent der IHK und auch in vielen Ehrenämtern machen konnte, miteinander zu verbinden. Die Erfahrung, was die Wirtschaft braucht und die Erfahrung z.  B. was die Migrantenorganisationen leisten wollen und können. Diese Brückenfunktion ist unbedingt notwendig und ich sehe sie als meine neue berufliche Herausforderung.

Eine Basis Ihrer Arbeit sind die zweistaatlichen Freundschaftsgesellschaften. Hat sich das durch die Flüchtlingskrise geändert?
Nein, das stimmt weiterhin. Es gibt rund ein Dutzend dieser Freundschaftsvereinigungen. Darüber hinaus sind im Dachverband der Auslandsgesellschaft 12 Migrantenorganisationen beheimatet. Bei uns heißt es immer: Wir sind eine kleine Uno in Magdeburg.

2015 veränderte sich die Lage auch in Sachsen-Anhalt durch den Zuzug Tausender Flüchtlinge rasant. Was bedeutete dies für die Auslandsgesellschaft?
Vorstand und Mitgliedsorganisationen haben sich bewusst dafür entschieden, bei der Bewältigung dieser Herausforderung aktiv mitzuwirken. Unsere Migrantorganisationen haben sehr schnell Sprachkurse, Ämterbegleitung und Begegnungsformate im „Einewelthaus“ für die Neuzuwanderer erweitert. Auch die AGSA-Geschäftsstelle hat bereits laufende Projekte flexibel der veränderten Situation anpassen können und auch neue weitere umgesetzt.

Dazu gehört?
Zunächst die interkulturelle Öffnung der Landesbehörden durch Workshops, Beratungen und Begleitungen. Niemand soll alle Menschen der Welt lieben, aber wir wollen für das Thema Zuwanderung sensibilisieren. Darüber hinaus gehören wir zum Landesnetzwerk Integration durch Qualifizierung. Weiterhin ist die Auslandsgesellschaft Träger der Servicestelle des Bundesfreiwilligendienstes mit Migrationsbezug. Das ist ein Sonderprogramm, was leider 2019 nicht mehr in dieser Form fortgesetzt wird. Das war für mich eines der wichtigsten Integrationsprojekte.

Warum?
So konnten Hunderte Migranten landesweit direkt ins Vereinsleben der Mehrheitsgesellschaft eingebunden werden, etwa durch Unterstützung des Platzwarts in einem Sportverein. Ein besseres Kennenlernen von Menschen und Lebensweise gibt es nicht. Wir wurden dabei sehr gut vom Landessozialministerium unterstützt und hatten im Bundesvergleich die besten Ergebnisse. Es ist sehr schade, dass es die Bundesregierung jetzt möglicherweise sterben lässt. Integration ist ein Prozess – den schafft man nicht in drei Jahren.

Flüchtlinge drängen vor allem übers Mittelmeer nach Europa. Was muss sich in der Entwicklungszusammen- arbeit mit Afrika ändern, damit das eingedämmt wird?
Die Verarmung in Afrika seit vielen, vielen Jahren führt zu der Fluchtbewegung, wie wir sie verstärkt in den vergangenen drei Jahren erlebt haben. Eine Kriegs- oder Fluchtmigration ist nichts anderes als Armutsmigration. Die Kriege entstehen aus politischen, aber auch aus wirtschaftlichen Gründen – gerade in Afrika, wenn es keine nachhaltige Entwicklungspolitik gibt. Wir sollten einen Masterplan dafür entwickeln, wie in großen Schritten die Armut in der Welt bekämpft werden kann. Kein Mensch verlässt die Heimat aus Langeweile. Im 18. und 19. Jahrhundert sind auch viele Millionen Deutsche gegangen – auf der Suche nach einem besseren Leben, einer besseren Zukunft für die Kinder. Allein in den USA leben 50 Millionen Deutschstämmige.

Kann hier auch von Sachsen-Anhalt aus etwas bewegt werden, oder ist dieser Brocken zu groß für ein Bundesland?
Das Wirtschaftsministerium überarbeitet derzeit die entwicklungspolitischen Leitlinien Sachsen-Anhalts. Daran sind wir als Auslandsgesellschaft auch beteiligt, um die Positionen unserer Mitgliedsorganisationen in diesen Prozess einzubringen. Es sind gewiss kleine Beiträge, aber das Haus entsteht von unten nach oben und nicht umgekehrt. Wir leben in Deutschland im Wohlstand, daraus ergibt sich auch eine Verantwortung für den Rest der Welt. Die Ausbeutung Afrikas als Fluchtursache wird nicht dadurch beseitigt, indem man verzinsliche Kredite ausreicht.

Polen liegt Ihnen als langjährigem Vorsitzenden der Deutsch-Polnischen Gesellschaft besonders am Herzen. Werden Sie nun kürzertreten?
Nein, schon weil sich Polen seit dem EU-Beitritt zum mit Abstand zum wichtigstem Handelspartner Sachsen-Anhalts entwickelt hat und Tausende Polen bereits in Sachsen-Anhalt neue Heimat gefunden haben. In diesem Herbst feiern wir 15 Jahre Partnerschaft zwischen Sachsen-Anhalt und der Wojewodschaft Masowien und den 10. Jahrestag der Städtepartnerschaft zwischen Magdeburg und Radom. Ich glaube, das „Wir“ muss in der EU wieder in den Vordergrund treten, bei allen politischen Unterschieden, die es nicht nur zwischen Polen und Deutschland derzeit gibt.

Als starke geschichtliche Bande gilt das Magdeburger Recht.
Ja, wenn Magdeburg 2025 Europäische Kulturhauptstadt werden will, sollten wir unbedingt nach Polen schauen. Stichwort: Magdeburger Recht. Das begründete in vielen Städten Mittel- und Osteuropas die moderne Rechtsordnung. Somit ist Magdeburg in Polen die gewissermaßen wichtigste Stadt. Als Gründungsdatum zählt dort nicht die erste urkundliche Erwähnung, sondern die Einführung des Rechts. Und das kam aus – Magdeburg.