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Iran Chomeinis bedrohlicher Nachlass

Expertin Katajun Amirpur beschreibt den Iran als ein Land mit offener Jugend. Doch die islamische Theokratie macht ihr das Leben schwer.

Von Steffen Honig 04.10.2018, 01:01

Magdeburg. Wenn Katajun Amirpur über den Iran spricht, entsteht das Gemälde eines landschaftlich traumhaften Landes zwischen Persischem Golf und Kaspischem Meer mit aufgeschlossenen Menschen, die sich Islam-Witze erzählend über das Ayatollah-Regime lustig machen, die offen für den Westen sind, aber an ihrem Land hängen.

Die dunklen Farben auf dem Iran-Gemälde, das am Montag beim Forum der Deutschen Atlantischen Gesellschaft in Magdeburg entsteht, liefert die gegenwärtig hoffnungslose wirtschaftliche Lage des 80-Millionen-Volkes. Amirpur, die als Lehrstuhlinhaberin für Islamwissenschaften an der Uni Köln häufig im Iran ist und den Studentenaustausch pflegt, verweist auf extreme Inflation. Sie vernichte die Sparguthaben und somit die Anleihe auf die Zukunft.

Bedingt wird der ökonomische Niedergang durch die verschärfte US-Sanktionspolitik nach der einseitigen Aufkündigung des Atomabkommens durch Washington. Ein ungerechter Schritt, findet Amirpur.

Das Land sei gewiss kein Friedensstifter im Nahen Osten, doch was im Vertrag stehe, werde erfüllt. „Dass der Iran bestraft wird, ist zum Heulen“, sagt die Iran-Expertin.

Das offizielle Verhältnis zu den Vereinigten Staaten unterscheide sich dabei grundlegend von der Amerika-Freundlichkeit vieler Iraner, für die die USA stets das Hauptauswanderungsziel gewesen seien. Die kalifornische Metropole Los Angeles etwa habe einen iranischstämmigen Bürgermeister.

„40 Jahre Indoktrination haben bei den jungen Menschen im Iran rein gar nichts bewirkt“, erklärt Amirpur. „Die USA sind für junge Iraner nicht der Satan. Das Amerika-Gehasse wird von der Bevölkerung nicht geteilt“, so die Erfahrungen der Wissenschaftlerin und Publizistin. Zur Haltung der EU und speziell Deutschlands im Sanktionsstreit seien die Iraner geteilter Meinung. Die einen wünschten sich den Ausbau der Handelskontakte nach Europa, die anderen forderten einen Kurs à la Trump, der letztlich die Theokratie hinwegfegen könnte.

Auf der Europäischen Union lastet dabei das Diktum Washingtons, die Beziehungen zu jenen Unternehmen zu stoppen, die weiter Handelsbeziehungen mit dem Mullah-Regime pflegen. Eine Gratwanderung für die westliche Wirtschaft, deren Folgen aber vor allem die iranische Bevölkerung tragen muss.

Zur Entwicklung seit der islamischen Revolution 1978/79 und zu deren Führer Ayatollah Chomeini sagt Amirpur. „Er war wirklich gut. Die Leute wollten damals Chomeini.“ Dafür erntet sie Widerspruch von einigen Iranern im 60-köpfigen Publikum. Die Wissenschaftlerin relativiert. Nicht das, was er aus dem Umsturz gemacht habe, sei gemeint, sondern die von ihm bei Millionen geweckte ehrliche Begeisterung.

Inzwischen hat die iranische Jugend mit Chomeinis Nachlass in Form der Pasdaran, der brutalen Revolutionsgarden zu kämpfen. Sie seien einzig dazu geschaffen worden, sagt Amirpur, Aufstände des Volkes zu unterdrücken. Was sie bisher auch immer knüppelhart getan haben.

Die Iran-Kennerin spricht auch von der mit dem Unterdrückungsapparat verbundenen Doppelzüngigkeit, die zum Alltag gehöre. Zu Hause würde anders geredet werden als in der Öffentlichkeit. Eine diktaturtypische Erziehung zur Lüge.

Eine organisierte Opposition gebe es aber nicht, erklärt Amirpur. Wie auch: „Meine Verwandten in Teheran haben drei Jobs, um über die Runden zu kommen. Da bleibt keine Zeit für den Freiheitskampf.

Doch sei extrem viel in Bewegung im Iran. Der wachsende Druck auf die Regierung werde sich entladen. Nicht heute und morgen, weil die Gegenkräfte zu stark seien, aber vielleicht übermorgen.

Der Glaube Katajun Amirpurs an einen freieren Iran jedenfalls ist unerschütterlich. Es gibt durchaus Erosionserscheinungen im System. So wurde vor einiger Zeit eine unbotmäßige Abgeordnete aus dem Parlament entfernt. Begründung: Sie glaube nicht mehr an die Fundamente der Islamischen Republik. Die Parlamentarierin war nicht irgendjemand, sondern die Enkelin von Chomeini.