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Jerusalem Netanjahu erhält von EU eine Abfuhr

Israels Regierungschef Netanjahu hat die EU-Staaten aufgefordert, Jerusalem als Hauptstadt anzuerkennen. Brüssel sagt aber nein.

11.12.2017, 23:01

Brüssel (dpa) l Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hat die EU-Staaten aufgefordert, dem US-Beispiel zu folgen und Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen. „Grundlage für Frieden ist, die Realität anzuerkennen“, sagte Netanjahu am Montag zum Auftakt eines Treffens mit den EU-Außenministern in Brüssel. „Jerusalem ist die Hauptstadt Israels und niemand kann das verneinen.“

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini machte hingegen deutlich, dass eine einseitige Anerkennung Jerusalems als Israels Hauptstadt für die Europäische Union nicht infrage komme. Eine Lösung des Konflikts könne nur durch direkte Verhandlungen erreicht werden, sagte sie. Ziel müsse aus Sicht der EU eine Zwei-Staaten-Lösung sein, bei der Jerusalem Hauptstadt beider Seiten sein solle. Über die Jerusalem-Krise und Syrien wollten am Montag auch der russische Präsident Wladimir Putin und sein türkischer Amtskollege Recep Tayyip Erdogan sprechen.

Die von US-Präsident Donald Trump getroffene Entscheidung, Jerusalem einseitig als Hauptstadt Israels anzuerkennen, wird von nahezu allen EU-Staaten als ernsthafte Gefahr für die Friedensbemühungen im Nahen Osten gesehen. Seit der US-Entscheidung kam es im Westjordanland, in Ost-Jerusalem und im Gaza-streifen bereits zu teils heftigen Unruhen. Das Schlimmste, was in Jerusalem und der Region derzeit passieren könne, sei eine neue Eskalation der Spannungen und der Gewalt, sagte Mogherini.

Bei neuen Zusammenstößen mit israelischen Soldaten wurden am Montag am Rande des Gazastreifens mindestens drei Palästinenser verletzt. Auch im Westjordanland gab es bei vereinzelten Protesten nahe Ramallah und Hebron mehrere Verletzte.

Seit Beginn der Unruhen wurden vier Palästinenser bei Protesten und israelischen Luftangriffen im Gazastreifen getötet – davon zwei Kämpfer der radikal-islamischen Hamas. Rund 400 Palästinenser erlitten nach Angaben des Gesundheitsministeriums Schussverletzungen und mehr als tausend wurden durch Tränengas verletzt. 13 israelische Polizisten wurden verletzt und ein Wachmann erlitt bei einem Anschlag in Jerusalem schwere Stichwunden.

Seit dem Wochenende haben sich die Proteste etwas abgeschwächt. Es gibt jedoch Aufrufe aller palästinensischen Fraktionen, am kommenden Freitag nach den muslimischen Mittagsgebeten neue Proteste abzuhalten. Die radikal-islamische Hamas hat in den vergangenen Tagen immer wieder zu einem neuen Palästinenseraufstand (Intifada) aufgerufen.

Mit Blick auf die europäischen Forderungen nach einer Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit den Palästinensern verwies Netanjahu auf die US-Vorbereitungen für einen neuen Vorschlag. „Wir sollten uns anschauen, was präsentiert wird und ob wir das voranbringen können“, sagte er.

Netanjahu hat sich nach Angaben aus EU-Kreisen mit Unterstützung des litauischen Außenministers Linas Linkevicius quasi selbst zu dem EU-Außenministertreffen eingeladen. Die EU könne eine wichtigere Rolle im Nahost-Konflikt übernehmen als bisher, sagte Linkevicius vor dem Treffen. „Aber das ist unmöglich ohne direkten Kontakt.“

Zuletzt war ein israelischer Premierminister vor 22 Jahren zu EU-Gesprächen nach Brüssel gekommen. Unter anderem aus Protest gegen die israelische Siedlungspolitik hatte die EU die Zusammenarbeit mit dem Land jüngst nicht mehr ausgebaut.

Um das Treffen mit Netanjahu an diesem Montag nicht wie eine einseitige Unterstützung für Israel aussehen zu lassen, hat Mogherini bereits angekündigt, dass zum nächsten EU-Außenministertreffen Palästinenserpräsident Mahmud Abbas eingeladen wird. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel ließ sich bei dem Termin mit Netanjahu wegen einer Erkrankung im familiären Umfeld entschuldigen.

Bereits am Sonntag hatte sich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mit Netanjahu in Paris getroffen und ihn zu „mutigen Gesten“ gegenüber den Palästinensern aufgefordert. Als mögliche Geste nannte Macron auf Nachfrage ein Einfrieren der israelischen Siedlungspolitik.

Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) war nicht zu den EU-Gesprächen mit dem israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu nach Brüssel gereist. Gabriel hatte seine Teilnahme an dem Treffen wegen einer Erkrankung im familiären Umfeld abgesagt, hieß es am Montag aus dem Auswärtigen Amt. Er ließ sich durch den EU-Botschafter Reinhard Silberberg vertreten. (dpa)