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Journalist Khashoggi-Fall bringt Kronprinzen in Not

Saudi-Arabien räumt den Tod des Journalisten Khashoggi in Istanbul ein. Im Westen sucht man nach geeigneten Reaktionen.

21.10.2018, 23:00

Istanbul (dpa) l Vergangenen Sommer schrieb Saud al-Kahtani, ein hoher Medienberater des saudischen Königshauses, auf seinem offiziellen Twitterprofil: „Glauben Sie, ich könnte einfach auf eigene Faust ohne Anweisungen handeln? Ich bin ein Angestellter und ehrlicher Vollstrecker der Befehle von meinem Herren, dem König, und seiner Hoheit dem Kronprinzen.“ Al-Kahtani wurde in der Nacht zum Sonnabend entlassen und wird offensichtlich als Mitverantwortlicher für die Tötung des Journalisten Jamal Khashoggi präsentiert. Er soll das gemacht haben, was er in seinem Tweet als unmöglich darstellt: ohne Wissen von Kronprinz Mohammed zu handeln.

Das neue Narrativ, das Riad in der Nacht über seine Staatsmedien verbreitete und von dem unter anderem die „New York Times“ Einzelheiten berichtet, geht so: Ein Team von 15 Männern habe sich Anfang Oktober auf den Weg nach Istanbul gemacht, um den prominenten Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat zu treffen.

Der im Exil lebende Kolumnist der „Washington Post“ hatte dort einen Termin, um ein Dokument für seine Hochzeit abzuholen. Doch die Männer wollten ihn in seine Heimat „zurückbringen“ – was wohl ein beschönigender Ausdruck für eine Entführung sein dürfte. Dabei sei es im Konsulat zu einer Prügelei mit den Männern gekommen, in deren Folge der Dissident starb.

Die „New York Times“ zitierte eine saudische Regierungsquelle damit, dass für die schiefgegangene Operation zwei Männer verantwortlich seien. Demnach habe der – nun ebenfalls entlassene – Vize-Geheimdienstchef Ahmed al-Asiri sie angeordnet.

Al-Asiri und Al-Kahtani sind wichtige Berater von Mohammed bin Salman. Al-Asiri wurde durch seine Rolle als Sprecher der Militärkoalition beim Einsatz im Jemen bekannt – dort diente er unter Verteidigungsminister Mohammed bin Salman. Als dieser zum Kronprinz ernannt wurde, beförderte er Al-Asiri zum stellvertretenden Geheimdienstchef. Al-Kahtani machte sich derweil als Leiter aggressiver Medienkampagnen gegen Kritiker Saudi-Arabiens einen Namen.

Doch man muss schon einiges an Fantasie aufbringen, um die Darstellung der Saudis zu glauben. Zunächst einmal widerspricht sie einer Reihe von durchgesickerten Ermittlungsergebnissen der türkischen Behörden. Diese hatten schon kurz nach dem Verschwinden Khashoggis von einem Tötungsteam gesprochen, das gezielt für den Mord nach Istanbul geflogen war. Von der Tötung selbst soll es einen Audiomitschnitt geben, der aber bislang nicht veröffentlicht wurde.

Auch scheint es unmöglich, dass Thronfolger Mohammed nichts von einem Einsatz mitbekommen haben soll. Unter seiner absolutistischen Herrschaft laufen die Fäden des Machtapparats in seinen Händen zusammen. In Riad will sich niemand den berüchtigten Zorn Mohammeds zuziehen – schon gar nicht mit einer Geheimoperation gegen einen der bekanntesten Journalisten des Landes hinter dem Rücken des Prinzen.

Und selbst wenn dies so geschehen wäre, erklärt es nicht, warum unter den 15 Männern auf einer Entführungsmission ein Forensiker war. Salah Mohammed al-Tubaigi, ein Experte im Umgang mit Leichen, ist von der Türkei und in Medienberichten als ein Mitglied des Teams enttarnt worden. Seine Beteiligung hat für Beobachter nur Sinn, wenn ein Mord von vorneherein geplant war.

Einer Reihe weiterer Mitglieder des saudischen Teams ist die Nähe zu Kronprinz Mohammed nachgewiesen worden. Und am Ende bleiben da auch noch offene Fragen, von denen eine heraussticht: Wo ist die Leiche Khashoggis?

Nun kommt es vor allem darauf an, ob US-Präsident Donald Trump die neue Erklärung akzeptiert. Trump hatte mehrfach gesagt, er wolle seinem Land mit wirtschaftlichen Strafen gegen die Ölmonarchie nicht selber schaden. Direkt nach der Erklärung sendete er bereits erste Zeichen der Entspannung und sagte: „Es ist nur ein erster Schritt, aber es ist ein großer erster Schritt.“ Auch wenn es noch einige Fragen gebe. Könnten die Verbündeten also bald wieder zum „Business as usual“ übergehen?

Die SPD zumindest will die Beziehungen Deutschlands zum Königreich grundsätzlich infrage stellen – insbesondere Waffenlieferungen. „Nach einem derart unfassbaren Vorgang gehört das Verhältnis zu Saudi-Arabien grundsätzlich auf den Prüfstand“, sagte die Parteivorsitzende Andrea Nahles der „Bild am Sonntag“. Dazu gehörten auch die Rüstungsexporte. „Es muss spürbare Konsequenzen geben.“