1. Startseite
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Politik
  6. >
  7. Kampf um Geld und Macht im Vatikan

EIL

Kirchenstaat Kampf um Geld und Macht im Vatikan

Italienischer Journalist veröffentlicht Buch über Verschwendung und Misswirtschaft.

04.11.2015, 23:01

Rom (dpa) l Wenn es um Euro und Cent geht, hört bei Papst Franziskus der Spaß auf. „Wenn wir es nicht verstehen, das Geld zu hüten, das man sieht, wie wollen wir dann die Seelen der Gläubigen hüten, die man nicht sieht?“, zitiert der italienische Journalist Gianluigi Nuzzi aus einer ihm zugespielten Tonaufnahme von einem Spitzentreffen im Vatikan. Der Papst, der immer wieder das Ideal einer „Kirche der Armen“ propagiert und in einer bescheidenen kleinen Wohnung außerhalb des Apostolischen Palastes wohnt, zeigte sich bei dieser Sitzung laut Nuzzi ungehalten, dass die Kosten im Heiligen Stuhl völlig außer Kontrolle seien.

Nach seiner Wahl zum Pontifex 2013 hatte Franziskus nicht nur einen bescheideneren Stil im Vatikan eingeführt, sondern auch die Cosea-Kommission eingesetzt, um die Wirtschafts- und Finanzorganisation des Heiligen Stuhls zu untersuchen und Reformvorschläge zu machen. Nuzzi, der sich 2012 mit den „Vatileaks“-Enthüllungen über Intrigen und Machtkämpfe im Vatikan einen Namen gemacht hatte, schreibt in einem neuen Buch, wie verschwenderisch in Rom mit dem Geld der Gläubigen umgegangen werde. Franziskus sei auf einem „Kreuzweg“, um dies zu ändern. „Via crucis“ ist der italienische Originaltitel des Buches, das auf Deutsch unter dem Titel „Alles muss ans Licht“ am Donnerstag erscheint.

„Von zehn Euro, die im Vatikan für wohltätige Zwecke eingehen, dienen sechs zur Sanierung ,roter Konten‘ der Kurie, zwei gehen in einen Reservefonds und nur zwei Euro stehen dem Papst für Wohltätigkeit zur Verfügung“, sagte Nuzzi am Mittwoch vor der Presse. Dies sei ein Ergebnis seiner Auswertungen der Dokumente aus den vergangenen Jahren, die ihm zugespielt wurden. Die Antwort der Kurie auf Franziskus‘ Reformwillen seien Trägheit und Blockadehaltung. Mitarbeiter des Papstes sprächen schon von einem „Krieg im Vatikan“.

Dass Papst Franziskus im Vatikan nicht nur Freunde hat, ist bekannt. Jorge Mario Bergoglio ist der erste Lateinamerikaner auf dem Stuhl Petri und seine Reformziele gehen manch einem schon zu weit. Nuzzi schreibt, wie Kardinäle in Rom in Luxuswohnungen lebten, die zehnmal so groß seien wie das bescheidene Apartment von Franziskus.

Die Feinde des Argentiniers machten auch während der vergangenen Bischofssynode vom 4. bis 25. Oktober mobil. So wurde in der letzten Synodenwoche über eine Lokalzeitung das Gerücht gestreut, der Papst leide an einem Hirntumor. Der deutsche emeritierte Kurienkardinal Walter Kasper sagte damals dazu, es sei offensichtlich, dass dieser Papst einigen nicht gefalle. „Ich sehe es als Zeichen großer Schwäche derjenigen, die dem Papst nicht wohlwollen“, sagt Nuzzi zu dem Gerücht.

Der Vatikan hat Nuzzi und seinem Kollegen Emiliano Fittipaldi, der ein ähnliches Buch geschrieben hat, rechtliche Schritte angedroht. Am Wochenende wurden der frühere Sekretär der Cosea, der spanische Geistliche Lucio Angel Vallejo Balda, sowie eine PR-Expertin, die in der Kommission mitgearbeitet hatte, unter dem Verdacht der Weitergabe vertraulicher Informationen im Vatikan festgenommen. Die Frau wurde kurz darauf freigelassen. Zuvor gab es Berichte, dass der Computer des von Franziskus im Juni 2015 zur Neuorganisation des vatikanischen Finanzsektors eingesetzten Generalrevisors Libero Milone gehackt wurde. „Ich glaube, dass dieser Papst Reformen vorantreibt und dabei auf große Schwierigkeiten stößt“, resümiert Nuzzi.