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Koalition Steiniger Weg nach Jamaika

Die ersten Sondierungen von Union und FDP sowie Union und Grünen beginnen. Angela Merkel und Horst Seehofer sind angeschlagen.

17.10.2017, 23:01

Berlin (dpa) l Die Bundestagswahl werde schwer wie keine seit der Deutschen Einheit, hatte Angela Merkel vorhergesagt. Die Prophezeiung ist eingetroffen. Doch es könnte für die Kanzlerin noch schlimmer kommen: Die heute nach dreieinhalb Wochen Durstzeit startenden Gespräche für ein Jamaika-Bündnis dürften die wohl schwersten Koalitionsverhandlungen sein, die Merkel in ihren bisher zwölf Amtsjahren führen musste. Ausgang offen.

Vor drei Wochen, als sich die SPD mit ihrem schlechtesten Ergebnis bei einer Bundestagswahl in die Opposition verabschiedet hatte, machten Grüne und FDP teils den Eindruck, als könne es nicht schnell genug gehen mit dem Start der Jamaika-Gespräche. Gerüchte kursierten, die beiden kleinen Parteien würden sich schon Gedanken über die Ressortverteilung machen, Ministernamen kursierten. Vor dem Start der Gespräche via Einzeltreffen am heutigen Mittwoch hat sich die Lage etwas beruhigt.

Eine 5+5-Runde aus CDU und CSU mit Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer an der Spitze spricht mit der FDP, danach mit den Grünen. Es soll ausgelotet werden, ob man überhaupt eine gemeinsame Idee für die Zukunft des Landes habe, heißt es in der CDU. Am Freitag kommt dann erstmals die große Sondierer-Runde zusammen. Über 50 Spitzenpolitiker wollen dann in der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft direkt am Reichstagsgebäude versuchen, jene Kernthemen auszuloten, über die in den nächsten Wochen gesprochen werden soll.

Merkel und Seehofer gehen angeschlagen in die Gespräche – und das macht die Sache nicht einfacher. Auch in den eigenen Reihen wird Merkel teils immer noch vorgehalten, sie verweigere die Aufarbeitung des Wahldesasters und den Beginn eines nötigen Generationenwechsels. Unruhe und Ungeduld in CDU und CSU wachsen. Gut möglich, dass die Kanzlerin darauf setzt, dass der Unmut über ihre rasch als „Weiter so“ verstandene erste Reaktion auf das miese Wahlergebnis in den Hintergrund gerät, wenn die Jamaika-Gespräche in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rücken. Doch die in Partei- und Verhandlungstaktik jahrzehntelang erprobte Merkel wird kaum so blauäugig sein, das wirklich zu glauben.

Nicht nur, dass unklar ist, ob der Zuwanderungskompromiss von CDU und CSU vom 8. Oktober die Jamaika-Gespräche heil übersteht. Möglich ist auch, dass es FDP und Grünen gelingt, die zerstrittenen Unionsschwestern gegeneinander auszuspielen.

Die Rufe aus der Union nach einem Schwenk nach rechts und einem Generationenwechsel dürften nicht so schnell verstummen. Das könnte auch die Verhandlungen mit FDP und Grünen belasten. Wobei sowieso nur schwer vorstellbar ist, wie sich politische Antipoden wie Seehofer und der lautstark auftretende altlinke Grüne Jürgen Trittin zusammenfinden sollen. Was also, wenn Jamaika platzt? Gibt es einen Plan B? Offiziell setzt die Kanzlerin auf Optimismus und darauf, dass alle Seiten letztlich ein Interesse am Gelingen der Verhandlungen haben. Aber wenn nicht?

Dann üsste Merkel wohl doch noch an der Tür von SPD-Chef Martin Schulz klopfen, weil nur eine erneute große Koalition das Land vor einer raschen Neuwahl bewahren könnte. Die will Merkel unbedingt verhindern. In der CDU fürchten sie, die Rechtspopulisten von der AfD könnten dann noch wesentlich besser als am 24. September abschneiden. Und was, wenn die SPD dann zur Bedingung macht, eine Neuauflage von Schwarz-Rot sei nur ohne Merkel möglich? Auf solche Gedankenspiele will sich in der Union derzeit niemand einlassen – zu groß ist die Sorge, dass eine sich selbst erfüllende Prophezeiung daraus werden könnte.

Als unwahrscheinlich gilt aber, dass sich die Union von den Sozialdemokraten diktieren lässt, wie sie mit „ihrer“ Kanzlerin umgeht.