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Koalition Was die Maaßen-Krise so vertrackt macht

Wie soll die Koalitionskrise um die Causa Maaßen gelöst werden? Wie geht es weiter? Alle wichtigen Fragen und Antworten.

22.09.2018, 17:15

Berlin (dpa) l Findet die Koalition aus der Krise? Die Nervosität vor einem für diesen Sonntag geplanten Spitzentreffen ist groß. Warum der Streit so weit reicht, warum er so vertrackt ist und wie es weitergehen kann.

Warum verhandeln die Koalitionsspitzen erneut über Maaßen?
Es wird bereits das dritte Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), CSU-Chef Horst Seehofer und SPD-Chefin Andrea Nahles zum Chef einer "nachgeordneten Behörde" (Merkel) sein. Am Dienstag hatten sie die Ablösung Maaßens als Verfassungsschutzpräsident vereinbart. Seehofer wollte ihn aber zum Innenstaatssekretär befördern. Das löste in der SPD einen Sturm der Entrüstung aus. Nahles geriet in den eigenen Reihen immer stärker unter Druck und verlangte von Merkel und Seehofer ein neues Treffen. Die Verabredung solle überdacht werden: "Wir haben Vertrauen verloren, statt es wiederherzustellen." Angefangen hatte der Streit, als Maaßen trotz der rechten Ausschreitungen in Chemnitz gesagt hatte, es geben keine belastbaren Informationen über Hetzjagden. So stellte er sich auch gegen Merkel.

War nur die SPD verärgert über die geplante Beförderung Maaßens?
Nein. "Die Bürger fragen zu Recht, ob wir in Berlin alle verrückt geworden sind", sagte Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann dem "Spiegel". Etliche wütende oder besorgte Briefe von Bürgern erreichten die Abgeordneten, heißt es in der Fraktion. Kritisch zeigten sich etwa Hessens vor einer Wahl stehender Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) oder Agrarministerin Julia Klöckner (CDU). Selbst an der CSU-Basis sähen viele eine Beförderung Maaßens kritisch, hieß es. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ärgerte sich in der "Augsburger Allgemeinen", er halte es nicht für den Ausdruck einer starken Demokratie, "wenn sich eine Koalition zwei Wochen lang bis an den Rand des Zerreißens damit beschäftigen muss, ob ein Beamter im Amt bleibt oder wechselt". In Bayern wird am 14. Oktober gewählt.

Welche Lösungsvarianten lagen in der Causa Maaßen noch auf dem Tisch?
Seehofer hat am Dienstag laut "Bild"-Zeitung noch zwei weitere Lösungsvorschläge gemacht: Maaßen könne Beauftragter des Ministers für Sicherheit und internationale Zusammenarbeit werden. Dann wäre Maaßen wohl für Seehofer und unter Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit durch die Welt gereist. Oder es könne einen Behördentausch geben. Merkel präferierte laut "Süddeutscher Zeitung" diese Lösung: Maaßen könnte die Bundespolizei oder das Bundeskriminalamt übernehmen, der jeweils andere Präsident den Verfassungsschutz. Nahles habe abgelehnt.

Gibt es eine Lösung, mit der alle zufrieden sein können?
Danach sieht es nicht aus. Selbst wenn Maaßen doch noch freiwillig seinen Hut nimmt, sähe es wohl für viele, die nichts gegen ihn haben, so aus, als wäre er Opfer politischen Machtgeschachers. In Bayern, so fürchtet man in der CSU, drohen damit noch mehr Wähler aus Frust und Protest zur AfD abzuwandern. Wird Maaßen ein Posten mit deutlich geringerem Status und niedrigerem Gehalt angeboten oder wird er gar in den Ruhestand versetzt, würde das einem Gesichtsverlust Seehofers gleichkommen. Dieser sieht ja eigentlich gar keinen Grund, Maaßen fallenzulassen. Und Bedingung für die SPD ist nach Angaben aus Parteikreisen, dass Maaßen seinen Posten verliert und nicht befördert wird. Die Südwest-SPD forderte am Samstag sogar Seehofers Rücktritt.

Kehrt am Sonntag Friede ein in der Koalition?
Wohl kaum. Dazu sind die Positionen zu unterschiedlich, die öffentlich erhobenen Forderungen zu gegensätzlich und der Druck, unter dem die beteiligten Politiker stehen, zu hoch. Es erscheint auch möglich, dass es gar keine Einigung am Sonntag gibt und die Dynamik der Krise dadurch noch unkalkulierbarer wird. Schon die nächsten Tage haben es in sich: Am Montag tagen das SPD-Präsidium, der SPD-Parteivorstand mit 45 Personen und die SPD-Bundestagsfraktion. Der Unmut der GroKo-Kritiker könnte sich vor allem im Vorstand Bahn brechen. Und in der Unionsfraktion tritt Vizechef Ralph Brinkhaus am Dienstag gegen den nicht mehr unangefochtenen Merkel-Vertrauten Volker Kauder an, was als Anzeichen für Distanzierung von der Kanzlerin in Teilen der Fraktion gesehen wird.

Warum hat sich der Streit so brisant hochgeschaukelt?
Aus einer Mischung aus teils recht chaotischen Abläufen und dahinterliegenden Problemen. Missverständnisse scheinen eine Rolle gespielt zu haben. So übte die SPD nach Anhörungen Maaßens in den zuständigen Gremien des Bundestags nur moderate Kritik am obersten Verfassungsschützer. Seehofer mag die Sache deshalb für ausgestanden gehalten haben. Motiv der SPD soll aber gewesen sein, dem Innenminister selbst die Möglichkeit zur Ablösung Maaßens zu geben. Und als die Koalitionsspitzen ihren Lösungsversuch am Dienstag mitteilten, blieb eine weitere brisante Personalie erst unbekannt: Erst tags drauf kündigte Seehofer an, er versetze den bisherigen Staatssekretär Gunther Adler für Maaßen in den Ruhestand. Adler gilt als ausgewiesener Bau-Experte – und ist SPD-Mann.

Was steckt noch hinter dem Streit?
Etwa der Druck, unter dem die Parteien seit langem stehen. In Bayern stürzte die CSU in Umfragen zuletzt auf 35 Prozent ab. Die SPD liegt mit 11 bis 13 Prozent im Umfragekeller. Kein Wunder, dass Bayerns SPD-Chefin Natascha Kohnen die SPD-Spitze besonders hartnäckig drängte, auf eine Ablösung Maaßens zu bestehen. Die AfD dürfte laut Umfragen mit 10 bis 14 Prozent in den Landtag einziehen. Bundesweit sackte die Union in Umfragen zuletzt auf unter 30, die SPD auf 17 Prozent. Die AfD erreicht bis zu 18 Prozent. Erschwert wird die Suche nach einer Lösung auch durch das Verhältnis zwischen Seehofer und Merkel. Schon beim neu aufgeflammten Flüchtlingsstreit in der Union vor knapp drei Monaten stand die Koalition vor der Kippe.

Was will Merkel?
Eine Lösung – aber welche Zukunft sie für Maaßen bevorzugt, ist unbekannt. Sie sagte, das Vertrauen in Maaßen sei in Teilen der Koalition nicht mehr gegeben. Ob nur die SPD gemeint war, ist unklar.