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Kommunalwahlen Briten strafen Parteien wegen Brexit ab

Tories und Labour haben bei der Kommunalwahl in Großbritannien heftige Einbußen einstecken müssen. Viele Wähler sind genervt vom Brexit.

03.05.2019, 23:01

London (dpa) l Bei den britischen Kommunalwahlen sind die regierenden Konservativen und die größte Oppositionspartei Labour wegen der Brexit-Streitereien abgestraft worden. Beide Parteien fuhren bei den Abstimmungen in weiten Teilen Englands und Nordirlands schmerzhafte Verluste ein – die Tories allerdings deutlich mehr als Labour. Eindeutige Gewinner der Wahlen sind zwei kleine EU-freundliche Parteien: vor allem die Liberaldemokraten, aber auch die Grünen.

"Das Bild ist klar", räumte Premierministerin Theresa May am Freitag bei einer Veranstaltung in Wales ein. "Dies ist eine schwierige Zeit für unsere Partei, und die Wahlergebnisse sind ein Symptom hierfür."

In der Konservativen Partei wurden umgehend die Rufe nach einem schnellen Rücktritt Mays lauter. "May ist ein Teil des Problems. Wir können einfach nicht so weiter machen. Wir brauchen einen Wechsel", sagte Ex-Entwicklungshilfeministerin Priti Patel. Wahlforscher rechneten damit, dass die Tories mehr als 800 Sitze verlieren könnten.

Insgesamt ging es bei den Kommunalwahlen um mehr als 8000 Sitze lokaler Gremien. Gewählt wurde in 248 englischen Bezirken. In einigen davon ging es darum, alle Sitze neu zu vergeben, in anderen stand nur ein Teil zur Wahl. In Nordirland wurden die Gremien in allen elf Bezirken des Landesteils komplett neu besetzt. In sechs mittelgroßen und kleineren Städten wurden zudem neue Bürgermeister bestimmt.

Nach Auszählung von etwas mehr als der Hälfte der Bezirke am frühen Nachmittag hatten die Tories mehr als 560 Sitze und Labour fast 100 verloren. Die EU-feindliche Ukip-Partei verbuchte etwa 60 Sitze weniger. Die Liberaldemokraten gewannen hingegen mehr als 360 dazu. Das endgültige Wahlergebnis sollte erst am Freitagabend feststehen. In Schottland, Wales und auch in London wurde nicht gewählt.

Politikwissenschaftler John Curtice von der Universität Strathclyde in Glasgow sprach von einer Bestrafungsaktion der Wähler: "Die Labour-Partei verliert dort, wo sie historisch stark ist. Und die Konservativen verlieren dort, wo sie historisch stark sind." Außenminister Jeremy Hunt nannte im Kurznachrichtendienst Twitter die Verluste eine "Ohrfeige ins Gesicht der beiden großen Parteien".

Eigentlich hätte Großbritannien die Europäische Union bereits Ende März verlassen sollen. Die Brexit-Frist wurde inzwischen bis zum 31. Oktober verlängert, nachdem May dreimal im Parlament mit ihrem Austrittsabkommen gescheitert war. Das Unterhaus in London ist nach wie vor in Sachen EU-Austritt heillos zerstritten.

Labour-Chef Jeremy Corbyn hatte lange Zeit nicht klar Position zum Brexit bezogen, was ihm starke Kritik einbrachte. Am Freitag warf er der Konservativen Partei und den Liberaldemokraten vor, gemeinsam für einen jahrelangen Sparkurs zu Lasten der Bevölkerung verantwortlich zu sein. Die Liberaldemokraten waren Koalitionspartner der Konservativen von 2010 bis 2015 unter Premierminister David Cameron, was sie etliche Wähler und Mitglieder gekostet hatte.

Politikwissenschaftler Curtice warnte in Interviews, dass sich die Liberaldemokraten angesichts ihres angeschlagenen Images nicht zu früh freuen sollten. "Sie sollten lieber billigen als teuren Champagner trinken – vielleicht sogar lieber Prosecco." Der Chef der Liberaldemokraten, Vince Cable, jubelte hingegen, dass nach den Konservativen und Labour die Liberaldemokraten wieder eine größere Rolle spielten. "Die Drei-Parteien-Politik ist zurück", twitterte er.

Die neu gegründete Brexit-Partei des Ex-Ukip-Chefs Nigel Farage durfte noch nicht an den Kommunalwahlen teilnehmen. Sie führt bereits Wochen nach ihrer Gründung die Umfragen zur Europawahl Ende Mai an.

Überschattet wurden die Kommunalwahlen vom Rauswurf des Verteidigungsministers Gavin Williamson am Mittwoch. Regierungschefin May wirft Williamson vor, Medienvertretern sensible Informationen aus einem Treffen des nationalen Sicherheitsrats gesteckt zu haben. Williamson wies dies strikt zurück. Seine Nachfolgerin ist die bisherige Entwicklungshilfeministerin Penny Mordaunt.