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Landtagswahl Politisches Erdbeben in NRW

Die Landtwagswahl in Nordrhein-Westfalen endet für die Sozialdemokraten in einer Niederlage. Reicht es sogar für Schwarz-Gelb?

14.05.2017, 18:23

Düsseldorf (dpa) l Debakel für die SPD, Triumph für die CDU: Vier Monate vor der Bundestagswahl hat die Union auch die dritte und wichtigste Landtagswahl des Jahres in Nordrhein-Westfalen deutlich gewonnen. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz gestand am Sonntagabend eine "krachende Niederlage" in seiner Heimat ein. Nach ersten Hochrechnungen deutete vieles darauf hin, dass es in NRW nun zum ersten Mal eine große Koalition geben dürfte. Sollte die Linke den Einzug in den Landtag verpassen, wäre sogar eine schwarz-gelbe Mehrheit denkbar.

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft legte nach der Abwahl von Rot-Grün alle Ämter in der SPD-Führung nieder. Für SPD-Kanzlerkandidat Schulz ist es der bisher härteste Tiefschlag seit seiner Nominierung Anfang des Jahres. Die SPD fuhr in NRW ihr schlechtestes Ergebnis in der Landesgeschichte ein und muss damit nach den Wahlschlappen im Saarland und in Schleswig-Holstein die dritte Niederlage in Folge verkraften.

"Wir müssen überlegen, was war mein Anteil daran", sagte Schulz, auch wenn vor allem über Landespolitik abgestimmt worden sei. Die Bürger wollten, dass er nicht nur über soziale Gerechtigkeit rede, sondern die Zukunftsperspektiven der Bundespolitik präziser beschreibe. "Diese Kritik an mir nehme ich ernst, die habe ich aufgenommen und die werden wir auch umsetzen."

Nach Hochrechnungen von ARD und ZDF lag die CDU mit 33,7 bis 33,8 Prozent deutlich vor der SPD mit 30,8 bis 31,1 Prozent. Dahinter folgte die FDP mit 12,0 bis 12,3 Prozent. Mit 7,4 bis 7,8 Prozent zieht erstmals die AfD in den Düsseldorfer Landtag ein. Die bislang an der Regierung beteiligten Grünen stürzten demnach auf 6,1 bis 6,2 Prozent ab. Die Linkspartei musste hingegen zittern, ob ihr der Sprung in den Landtag gelingt. Hochrechnungen sahen sie am Abend bei 4,9 Prozent.

Sollte die Linke an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern, könnte es unter Umständen sogar zu einer schwarz-gelben Mehrheit von CDU und FDP reichen. In jedem Fall wäre in Nordrhein-Westfalen rechnerisch eine große Koalition, ein Ampel-Bündnis oder eine sogenannte Jamaika-Koalition möglich. Dreierbündnisse sind aber unwahrscheinlich: Die Liberalen haben eine Ampel mit SPD und Grünen ausgeschlossen, die Grünen ein Jamaika-Bündnis mit CDU und FDP.

Nach den Hochrechnungen vom Abend zeichnete sich bei einem Fünf-Parteien-Parlament ohne die Linke folgende Sitzverteilung ab: Die CDU holt im neuen Landtag 67 Sitze, die SPD 62. Die Liberalen erringen 24 bis 25 Mandate, die Grünen 12, die AfD 15 bis 15. Die absolute Mehrheit liegt – ohne Überhangmandate – bei 91 Sitzen. Die Wahlbeteiligung stieg auf 65,5 bis 66 Prozent (2012: 59,6 Prozent).

CDU-Wahlsieger Laschet kündigte am Abend an, er wolle mit allen "demokratischen Parteien" sprechen. "Politik ist kein Wunschkonzert, natürlich sind wir bei vielen Themen nahe bei der FDP." FDP-Landes und Bundeschef Christian Lindner erklärte angesichts des besten Landesergebnisses seit über 50 Jahren, die Liberalen peilten Koalitionsverhandlungen mit der CDU an: "Wir stehen für Gespräche zur Verfügung." Nun sei auch mit einem Comeback der FDP im Bund zu rechnen. Er selbst will in diesem Fall nach Berlin wechseln.

Für Kanzlerin Angela Merkel bedeutet der Wahlsieg der CDU starken Rückenwind. CSU-Chef Horst Seehofer erklärte, die "Schulz-Festspiele" seien vorbei. Er mahnte die Union, trotzdem auf dem Teppich zu bleiben. Stimmungen könnten sich "fast torpedoartig ändern", warnte der bayerische Ministerpräsident. "Deshalb ist das noch längst keine Vorentscheidung für die Bundestagswahl."

Die NRW-Wahl galt als wichtigster Stimmungstest vor der Bundestagswahl im September, da jeder fünfte Wähler bundesweit in dem Land zu Hause ist. Noch vor wenigen Wochen hatte die SPD in Umfragen deutlich vorn gelegen.

Die Grünen mussten im Superwahl 2017 zum dritten Mal in Folge Verluste hinnehmen. Bundestags-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sprach von einem deprimierenden Ergebnis: ""Das ist ein Schlag in die Magengrube." Spitzenkandidat Cem Özdemir kündigte an, im Bund wolle man den Kurs der Eigenständigkeit ohne Koalitionsaussage auf jeden Fall fortsetzen.

Die AfD ist nun in 13 von 16 Landtagen vertreten. Parteivize Alexander Gauland räumte ein, dass die internen Konflikte vor dem Bundesparteitag im April geschadet haben könnten. Da diese Konflikte nun "hinter uns liegen, kann es ja nur besser werden", fügte er hinzu. Der Landesvorsitzende Marcus Pretzell kündigte an: "Wir werden ehrliche klare Opposition machen, den Finger in die Wunde legen, so wie die das noch gar nicht kennen."

Die Linkspartei warf den Sozialdemokraten einen zu extremen Abgrenzungskurs vor. Die SPD bekomme keine Glaubwürdigkeit, "wenn sie meint, mit der FDP soziale Gerechtigkeit machen zu können", sagte Parteichef Bernd Riexinger. Kraft hatte einer rot-rot-grünen Koalition noch kurz vor der Wahl eine klare Absage erteilt.

Sowohl SPD als auch CDU haben im Wahlkampf eine große Koalition nicht ausgeschlossen. Als Knackpunkte gelten die Themen Innere Sicherheit und Bildungspolitik. Die Sozialdemokraten regierten mit einer Ausnahme seit gut 50 Jahren in NRW. Von 2005 bis 2010 gab es eine schwarz-gelbe Regierung unter CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers.

Bei der Landtagswahl vor fünf Jahren hatte die SPD unter Hannelore Kraft mit 39,1 Prozent und 99 Sitzen noch deutlich vor der CDU (26,3 Prozent, 67 Sitze) gelegen. Als drittstärkste Kraft kamen die Grünen auf 11,3 Prozent (29 Sitze). Außerdem waren die FDP mit 8,6 Prozent (22 Sitze) und die Piraten (7,8 Prozent / 20 Sitze) vertreten. Die Linke verpasste 2012 mit 2,5 Prozent den Einzug in den Landtag.