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Linke Sammelbewegung "Aufstehen" zwischen Häme und Argwohn

Vor dem Start der linken Sammelbewegung „Aufstehen“ schauen neben Parteikollegen auch die AfD auf mögliche Konkurrenz.

02.09.2018, 23:01

Die von Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine (beide Linke) ins Leben gerufene linke Sammlungsbewegung „Aufstehen“ sorgt auch in anderen Parteien für erhebliche Unruhe. „Ich bin skeptisch, ob ihnen an der Einigung der linken Kräfte gelegen ist, gerade scheinen sie eher die Spaltung der Linkspartei voranzutreiben“, sagte der Sprecher der Parlamentarischen Linken der SPD, Matthias Miersch, der Deutschen Presse-Agentur. „Es gibt seit längerer Zeit rot-rot-grüne Gespräche zwischen Abgeordneten, Parteimitgliedern und auch den Jugendorganisationen.“ Ein Bündnis sei möglich, wenn sich in allen drei Parteien ein fortschrittliches Programm durchsetze. „Wagenknecht und Lafontaine habe ich an keinem der gemeinsamen Gespräche teilnehmen sehen“, sagte der SPD-Vizefraktionsvorsitzende.

Linke-Fraktionschefin Wagenknecht will die Bewegung morgen in Berlin vorstellen. Mit dabei wird auch die Flensburger SPD-Oberbürgermeisterin Simone Lange sein. Sie war gegen Andrea Nahles bei der Wahl zur Parteichefin angetreten und hatte mit 27,6 Prozent einen Achtungserfolg erzielt. Ihre Kandidatur war auch Ausdruck des Unmuts, der insbesondere bei der SPD-Linken aufkam, weil die Parteiführung nach der Bundestagswahl zuerst gegen eine erneute große Koalition war und nach dem Scheitern von „Jamaika“ dann doch wieder in ein Regierungsbündnis mit CDU und CSU ging. Insofern dürfte auch die SPD-Spitze die Bewegung mit Argwohn beobachten.

Wenn Wagenknecht ihre linke Sammlungsbewegung präsentiert, wird ihr also große Aufmerksamkeit gewiss sein. Allerdings kann sie allzu prominente Mitstreiter nicht aufbieten – mit auf dem Podium sitzt neben Lange unter anderem der frühere Grünen-Chef Ludger Volmer.

Aber wird die Bewegung Erfolg haben? Eine Website, die nur aus einem kurzen Video und einer Newsletter-Anmeldung bestand, erntete erstmal Häme. Auch das linke Partei-Establishment ist strikt gegen das Projekt, Parteichefin Katja Kipping, die mit Wagenknecht ohnehin im Dauerclinch liegt, äußerte sich im ARD-“Sommerinterview“ gestern erneut distanziert zum Wagenknecht-Projekt. Sie freue sich natürlich über erfolgreiche Initiativen. Beim jüngsten Linke-Parteitag im Juni in Leipzig verteidigte Wagenknecht, die zugleich die Linke mit der weitaus größten öffentlichen Ausstrahlungskraft ist, ihr Projekt.

Was Wagenknecht unter anderem antreibt, hat sie schon kurz nach der Bundestagswahl im September deutlich gemacht. Jedem, der ihr vorwirft, sie wolle nur aus der Opposition heraus kritisieren, hält sie entgegen, sie wolle im Gegenteil linke Politik durchsetzen – doch fehlten auf absehbare Zeit die entsprechenden Mehrheiten im Parlament. Vor allem wegen der Schwäche der SPD.

Bei der Wahl wurde zudem deutlich: Der Linken ist mit der AfD ihre schärfste Konkurrenz erwachsen. Das gilt vor allem im Osten, wo die Rechtspopulisten die Linke klar vom zweiten Platz hinter der CDU verdrängten. 400 000 Linke-Wähler wanderten zur AfD. Eine entscheidendes Erfolgskriterium für die Sammlungsbewegung wird sein, ob sie den Vormarsch der AfD im Osten dämpfen kann.

„Natürlich spielte die Flüchtlingsfrage bei denen, die von uns zur AfD gegangen sind, eine zentrale Rolle“, meinte Wagenknecht schon nach der Wahl. In Leipzig entfachte sie mit ihrer Haltung in der Flüchtlingsfrage einen heftigen Streit. Ihr Credo: „Wenn inzwischen mehr Gewerkschafter AfD wählen als uns, wenn mehr Arbeitslose und Arbeiter AfD wählen als uns, dann finde ich, können wir uns nicht zurücklehnen und zur Tagesordnung übergehen.“

Wagenknecht steht im Prinzip weiterhin für klassische Positionen der Linkspartei: gegen Niedriglohn, Leiharbeit und befristete Jobs, für höhere Renten, gegen Rüstungsexporte und Auslandseinsätze der Bundeswehr. Nur in der Zuwanderungspolitik tickt sie anders als ein Großteil ihrer Parteigenossen. Sie scheint aber damit bei der von ihr ausgemachten Konkurrenz tatsächlich auch Wirkung zu erzielen. Von einigen Mitgliedern der AfD wird die Bewegung schon als mögliche Konkurrenz empfunden. (dpa)