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Linkspartei Bartsch will für starke Linke kämpfen

Die Auseinandersetzung mit der AfD wird ein Thema beim Linken-Parteitag, macht Fraktionschef Bartsch im Vokstimme-Interview klar.

Von Steffen Honig 26.05.2016, 01:01

Die Parteienlandschaft in Deutschland ordnet sich durch den Einfall der AfD neu – auch zu Lasten der Linken. Nach drei Landtagswahlen kein Fortschritt im Westen und ein Rückschritt in Sachsen-Anhalt von 23,7 auf 16,3 Prozent. Wie bewerten Sie das?

Dietmar Bartsch: Die Wahlen waren für uns schmerzliche Niederlagen. Wir werden verstärkt die konsequente Auseinandersetzung mit der AfD und anderen Rechtspopulisten führen und gleichzeitig deutlich machen, dass die unsoziale Politik der Großen Koalition die Voraussetzungen für die aktuelle Situation geschaffen hat. In den bundespolitischen Umfragen sind wir stabil und ich bin zuversichtlich, dass wir bei den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin zulegen und vor der AfD ankommen werden.

Gerade in Sachsen-Anhalt sollte nach Thüringen der nächste große Wurf gelingen, jetzt hat die AfD ein Viertel der Sitze, was hat die Linke falsch gemacht?

In Sachsen-Anhalt haben wir eine Polarisierung, wie es sie zwischen Malu Dreyer und Julia Klöckner in Rheinland-Pfalz gab, zwischen Herrn Haseloff und Wulf Gallert nicht hinbekommen. Wir haben in Sachsen-Anhalt das erstmalige Ergebnis in der Bundesrepublik, dass alle im Landtag vertretenen Parteien verloren haben. Das zeigt, dass es manchen Wählerinnen und Wählern ziemlich egal war, wer in Magdeburg regiert, der Wechsel zu einer Mitte-Links-Regierung war nicht gewollt. Wichtig bleibt, dass die Linke mit Spitzenkandidat Wulf Gallert Haltung gezeigt hat. Es gilt nun, die Ärmel hochzukrempeln und zurückzukommen, damit spätestens in fünf Jahren klargestellt werden kann, dass dieses Ergebnis der AfD keinen Bestand hat.

Ein Hauptthema der politischen Auseinandersetzung ist die Integrationspolitik. Wo steht Deutschland nach Meinung der Linken?

Wir müssen hier dringend zulegen. Das erfordert vor allem politischen Willen, aber auch Geld. Die Finanzausstattung der Kommunen muss so gestaltet werden, dass diese ihre wachsenden Aufgaben in der öffentlichen Daseinsvorsorge erfüllen können. Das betrifft alle Bereiche kommunaler Selbstverwaltung. Hier gibt es seit langem ein Geschachere zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Wir fordern, dass der Bund die Leistungen der Integration von Flüchtlingen so lange übernimmt, bis entschieden ist, ob jemand hierbleiben kann.

Es gab unterschiedliche Äußerungen zur Flüchtlingspolitik auch aus der Linken, Sahra Wagenknecht hat sich nochmals für Kontingente ausgesprochen. Der Vorstand ist dagegen –die Linke will auf dem Parteitag bei einer Flüchtlingspolitik ohne Obergrenze bleiben. Treibt dies nicht auch Linke-Wähler der AfD zu?

Das sehe ich nicht so, dies kann auch nicht der Maßstab sein. Das Grundrecht auf Asyl kennt keine Obergrenzen und das bleibt auch so. AfD und auch CSU suggerieren anderes und betrügen damit die Menschen. Es geht uns nicht darum, dass möglichst viele Menschen nach Deutschland und Europa kommen sollen. Unsere Position ist vielmehr, dass jede und jeder dort, wo sie oder er geboren wurden, alle Chancen auf Entwicklung haben sollen. Deshalb müssen wir die Ursachen für Flucht und Vertreibung endlich ernsthaft bekämpfen, nicht weiter Soldaten und Waffen in alle Welt schicken.

Befürchten Sie, dass die alte Krankheit der Linken – gnadenlose Flügelkämpfe – wieder ausbrechen wird?

Ich wünsche mir eine lebendige Diskussion in der Sache. Dass daraus gern Flügelkämpfe gemacht werden, damit müssen wir leben. Der Parteitag ist das Gremium, wo über zentrale Fragen auch kontrovers diskutiert werden muss. Wenn der Streit nicht auf der persönlichen Ebene ausgetragen wird, kann das unsere Partei nur attraktiv machen.

Es sind Vorstandswahlen. Erwarten Sie Veränderungen an der Parteispitze?

Die gesamte Parteiführung kandidiert wieder. Ich denke, dass sie auch so bestätigt wird. Ich rechne nicht damit, dass wir Kontroversen haben werden, was das Personal betrifft.

 Wird sich die Linke auf eine Regionalpartei Ost reduzieren?

Diese Alternative steht für uns nicht. Links geht nur gesamtdeutsch, ja international, oder gar nicht. Wir haben die kuriose Situation, dass unsere tollen Wahlerfolge in Hamburg oder Bremen im Vorjahr faktisch nicht zur Kenntnis genommen worden sind. Eine Woche vor den Landtagswahlen im März dieses Jahres haben wir bei den Kommunalwahlen in Hessen flächendeckend zugelegt, in Kassel über 10 Prozent erreicht, in Marburg sogar 15 Prozent. Wir gehen mit unseren Erfolgen viel zu zurückhaltend um. Für uns wird die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen die Schlüsselwahl mit Blick auf die Bundestagswahl 2017. Da wollen wir mit aller Kraft wieder in den Landtag.

Bei CDU und CSU kommen Rufe nach mehr Konservatismus, die SPD entdeckt ihre Quellen als Arbeiterpartei neu. Wie wollen sich die Linken positionieren?

Die Veränderung der Parteienlandschaft ist kein deutsches Phänomen – egal, ob man nach Polen, Frankreich oder in die USA schaut. Wir haben gesellschaftliche Umbrüche, die in der Veränderung der Produktivkräfte liegen – Stichworte sind Globalisierung und Digitalisierung. Die Linke muss definieren, was demokratischer Sozialismus im 21. Jahrhundert heißt, und die Systemfrage stellen. Aus dieser grundsätzlichen Weltanschauung sollten wir unser politisches Handeln ableiten, es geht nicht allein um kurzfristige Korrekturen. Die wachsende Ungleichheit bei Einkommen und Vermögen in Deutschland und der Welt ist eine zentrale Frage der Auseinandersetzung. Darin eingebettet muss es dann z.  B. in der nächsten Wahlperiode des Bundestages eine große Rentenreform, die lebensstandardsichernd ist, geben. Dringend brauchen wir auch eine nachhaltige Steuerreform, auch damit riesige Privatvermögen gerecht besteuert werden können.

Was gehört für Sie zu einer Definition des demokratischen Sozialismus für das 21. Jahrhundert?

Es geht sowohl um ein Wertesystem als auch um eine Gesellschaftsordnung, die auf Emanzipation und Solidarität fußt, um eine Bewegung im europäischen und globalen Maßstab.

Wie sehen Sie im europäischen Kontext einen möglichen Austritt Großbritanniens aus der EU?

Ich sehe Europa aktuell an einem Scheideweg, die EU ist in ihrer schwersten Krise. Es geht um die Frage, ob Drohungen oder Sanktionen Europa bestimmen oder Miteinander und Solidarität. Wir brauchen einen Neustart, damit es ein Europa der Menschen wird und nicht nur der Konzerne und des Kapitals. Ein Brexit würde Europa zurückwerfen.

Die Grünen kuscheln mit der CDU. Ist das rot-rot-grüne Projekt tot?

Meine Haltung zu Mitte-Links-Bündnissen hat sich nicht verändert. Wir müssen für einen politischen Wechsel kämpfen. Wir haben leider im Moment weder rechnerisch noch politisch eine solche Situation. Deswegen führt uns die theoretische Diskussion um derartige Bündnisse eher in die Irre. Wir kämpfen für eine starke Linke. So gehen wir auch in die Wahlkämpfe in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin. Das ist übrigens auch eine Schlussfolgerung aus Sachsen-Anhalt. Letztlich wird eine seriöse Antwort für die Bundeswahl 2017 erst nach den Wahlen in Nordrhein-Westfalen möglich sein. Dann wissen wir beispielsweise auch, ob und wie weit die AfD bundesweit wieder gefallen ist, ob es ein Comeback der FDP gibt und ob die Grünen auf dem aktuellen Niveau bleiben.

Die Linke hat jüngst ein Investitionsprogramm von 25 Milliarden Euro vorgeschlagen – was ist aus diesem Vorstoß geworden?

Wir kämpfen für ein Investitionsprogramm, damit nicht die Schwächsten gegen die Schwachen ausgespielt werden. Ein Element ist der soziale Wohnungsbau. Das ist finanzierbar ohne Neuverschuldung. Ich verstehe nicht, dass der Finanzminister de facto den Überkanzler gibt und den Verteidigungsetat erhöhen will, aber bei der Rentenreform oder dem sozialen Wohnungsbau auf die Bremse tritt. Das darf so nicht weitergehen.