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Materialbeschaffung Weiterhin Pannen bei der Bundeswehr

Zu spät, zu teuer, zu mangelhaft: Das Beschaffungswesen der Truppe hat immer noch Probleme.

Von Nico Pointner 20.06.2017, 23:01

Berlin l Es ist nicht immer einfach, Verteidigungsministerin zu sein. Besonders wenn es um große Rüstungsprojekte geht. Als Ursula von der Leyen im Februar zum ersten Mal auf Dienstreise ging mit dem modernsten militärischen Transportflugzeug der Welt, dem A400M, da entstanden beim Abflug ganz prächtige Bilder: Ministerin vor Maschine im Morgengrauen. Wenige Stunden später blieb der Flieger in Litauen liegen – Triebwerkausfall. Die Premierenpanne überschattete von der Leyens Besuch bei der Nato-Truppe im Osten. Wieder einmal Mängel bei der Ausrüstung, wieder einmal peinliche Nachrichten.

Ursula von der Leyen wollte eigentlich alles anders machen bei der Rüstung. Die Reform des Sektors gehörte zu den wichtigsten Vorhaben der Wahlperiode. Sie wollte die Beschaffung der Bundeswehr umkrempeln, die Projekte transparenter und effizienter gestalten. Sie holte die frühere Unternehmensberaterin Katrin Suder als Staatssekretärin ins Ministerium und externe Berater in das Koblenzer Amt mit der ungelenken Abkürzung BAAINBw (Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr).

Transparenter ist die Beschaffung heute, das räumen selbst Oppositionspolitiker ein. Regelmäßig legt von der Leyen Berichte vor. Und für vertragliche Altlasten wie den A400M zeichnet die CDU-Ministerin nur bedingt verantwortlich. Aber weiterhin läuft die Rüstung aus dem Ruder. Projekte verzögern sich, Kosten explodieren, Waffensysteme werden technisch schlechter ausgeliefert als geplant.

Rüstung ist knifflig, einen eindeutig Schuldigen zu finden ist schwer: Große Beschaffungsprojekte überdauern von der Skizze bis zur Auslieferung meist die Amtszeiten mehrerer Minister. Panzer, Flugzeuge, Drohnen können nur von wenigen Firmen überhaupt gebaut werden – oft ist die Bundeswehr abhängig von den Monopolisten. Es geht nicht immer nur um militärische Anforderungen, sondern auch um Industriepolitik und Arbeitsplätze. Aber vor allem: Moderne Waffensysteme sind keine Produkte von der Stange, sondern immer technisches Neuland.

Von der Leyen wollte die Bundeswehr stärker absichern gegen diese Risiken, härtere Verträge aushandeln, auf Garantien und Gewährleistungen pochen. Die Verträge der Vergangenheit waren häufig zu sehr auf die Rüstungsindustrie zugeschnitten. „Es ist kein Kampf mit gleichen Waffen“, sagt der Rüstungsexperte Christian Mölling von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. „Die Beamten stehen großen Konzernen gegenüber – mit Heerscharen von Juristen.“

Doch je härter das Ministerium nun verhandelt, desto länger lassen die Verträge auf sich warten. So sollte die Ausschreibung für die Nachfolge des G-36-Sturmgewehrs bereits 2016 erfolgen – erst im April 2017 begann das Vergabeverfahren. Das mehrere Milliarden Euro teure Raketenabwehrsystem Meads war das erste große Rüstungsprojekt, über das von der Leyen selbst entschieden hat – eine Prestigeangelegenheit für die CDU-Ministerin. Der Vertrag sollte bereits vor mehr als einem Jahr unterzeichnet sein, doch der bayerische Hersteller MDBA musste das Angebot nachbearbeiten. Erst im Mai haben nun die Verhandlungen begonnen.

Vor allem rechtliche Streitigkeiten verzögern immer wieder Mammutprojekte. Von der Leyen will etwa Kampfdrohnen aus Israel für mehr als eine Milliarde Euro anmieten, doch das US-Konkurrenzunternehmen General Atomics blockierte lange den Deal, mit einem Einspruch beim Kartellamt, mit einer erfolglosen Klage vor Gericht.

„Die Probleme im Rüstungsbereich sind vielschichtig“, räumt auch das Ministerium im April in einem Bericht ein. Sind Pleiten und Pannen dort also unvermeidlich? Gerade wegen der Beschaffung gilt das Verteidigungsministerium als Schleudersitz.

„Sicherlich ist Rüstung ein politisches Minenfeld, aber man verliert am ehesten, wenn man sich wegduckt und nicht kümmert“, sagt der Grünen-Haushaltspolitiker Tobias Lindner. Die ausgemusterte Skandal-Drohne Euro Hawk verschlang 600 Millionen Euro und kostete den damaligen Minister Thomas de Maizière (CDU) fast den Job.

Am Mittwoch soll der Haushaltsausschuss noch mehr als 20 Rüstungsprojekte mit einem Finanzvolumen von 15 Milliarden Euro durchpeitschen, darunter Kampfdrohnen und Kriegsschiffe. Was davon noch durch das Parlament geht, ist ungewiss. Und erst recht, wie es mit dem Beschaffungswesen nach der Bundestagswahl weitergeht.