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Medien Zwischen Emotion und Banalität

Diskussion ums Spannungsfeld zwischen Information und Unterhaltung in der Berichterstattungf

Von Martin Rieß 22.02.2016, 00:01

Magdeburg l Ein junger Mann lässt sich mit einem auf einem Pappschild notierten Heiratsantrag für die potenzielle Braut blitzen. Oder: Die Geburt eines Flusspferds in einem Zoo wird zu einem tragenden Thema der Berichterstattung. Das sind zwei Beispiele für besonders erfolgreiche Themen gerade im Online-Bereich, die für Mitteldeutsche Zeitung und Mitteldeutschen Rundfunk während der Konferenz „Think Cross – Change Media“ am Wochenende in der Hochschule Magdeburg-Stendal vorgestellt wurden. Nur: Dürfen die das? Während einer Podiumsdiskussion gingen deren Teilnehmer unter anderem der Frage nach, ob die Medienhäuser mit unterhaltsamen Themen ihre Glaubwürdigkeit und ihren Stellenwert als seriöse Nachrichtenquelle riskieren.
Nein, meint Hartmut Augustin, Chefredakteur der Mitteldeutschen Zeitung: „Wenn wir unterhaltsame Dinge in unser Repertoire mit aufnehmen, heißt das ja nicht, dass andere Themen zu kurz kommen.“ Der Chef der in Halle herausgegebenen Tageszeitung beziffert den Anteil lokaler und regionaler Inhalte im Internet auf 80 bis 90 Prozent. Das sei die von den Nutzern anerkannte Kernkompetenz der Mitteldeutschen.
Christian Buch, Leiter der MDR-Hauptredaktion Fernsehen in Sachsen-Anhalt, bezeichnet den Wert unterhaltender Beiträge in der Chance, Zuschauer und Internetnutzer auf den MDR aufmerksam zu machen, die bislang mit dem oft am älteren Publikum orientierten Programm seines Hauses nicht so viel anfangen können. Selbst wenn der Anbieter von Hörfunk und Fernsehen seine Aktivitäten im Internet intensiviere, heiße das eben nicht, „dass die Nutzer nur deshalb kommen, weil es vom MDR ist“. Es müsse darum gehen, neue Wege mit neuen Inhalten zu öffnen.
Marc Rath, Koordinator der Lokalredaktionen der Volksstimme, sieht in unterhaltenden Aspekten in der Berichterstattung keineswegs eine neue Entwicklung: Emotionale Momente müssen in den gedruckten Zeitungen wie Online-Bereich geweckt werden. Und was die klassische Zeitung angehe, gebe es dort seit Jahrzehnten bereits Comics oder Horoskope. „Zudem sind es eben nicht allein die emotionalen Geschichten, die einen hohen Zuspruch von Internetnutzern bringen. Bei uns war der erfolgreichste Beitrag bislang, als wir während des Elbehochwassers 2013 hochaktuell und vor allen anderen darüber berichtet haben, dass mit Schiffen der Deichbruch bei Fischbeck abgedichtet werden soll.“
Und doch seien es eben die Emotionen, die auch bei inhaltsschweren Themen die Leser fesseln. „Auch wenn wir über einen Großbrand einen umfangreichen und mit mehr Informationen und Bildern angereicherten Beitrag bringen, wie es kein anderes Medium vermag: Die Menschen wird das Video im Internet fesseln, in dem die Flammen lodern und das Knistern des Feuers zu hören ist.“
Kommunikationswissenschaftlerin Dr. Friederike Schultz sieht das ähnlich: „Wir dürfen analytisch nicht zwischen Unterhaltung und Information unterscheiden. Denn gerade die Schnittstellen zwischen diesen Feldern wie zwischen Realität und Fiktion sind spannend für die Nutzer und damit auch für die Journalisten.“
Doch wie banal darf‘s denn bitte in der Berichterstattung dann sein, wenn die Information der Inhalte nicht mehr im Vordergrund stehen sollen. Marc Rath nennt in diesem Zusammenhang die Berichterstattung über den Besuch der Bundeskanzlerin an einem Imbissstand während einer Pause von Verhandlungen mit europäischen Partnern. Der Volksstimme-Mitarbeiter sagt: „Mein 15-jähriger Sohn hat mich gefragt, was das soll und dass er so etwas nicht in einem Nachrichtenmedium lesen möchte.“ Es sei ein Trugschluss, mit inhaltslosen Trivialitäten die Jüngeren gewinnen zu können. Das sieht auch Hartmut Augustin so und sagt: „Wir müssen bei allem Interesse an unterhaltenden Themen die Nutzer von Zeitung und Internet ernst nehmen und dürfen sie auf keinen Fall unterschätzen.“