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Menschenrechte Folter in Türkei nimmt seit Putschversuch zu

Dass die türkische Menschenrechtlerin Sebnem Korur Fincanci nach Düsseldorf reisen durfte, ist bemerkenswert.

Von Dorothea Hülsmeier 13.09.2017, 14:31

Düsseldorf (dpa) l Folter in Gefängnissen und Polizeigewalt nehmen in der Türkei nach Beobachtung von türkischen Menschenrechtlern seit der Niederschlagung des Putschversuchs 2016 wieder zu. "Wir sammeln aus allen Quellen Daten, auch aus den sozialen Medien", sagte die Vorsitzende der unabhängigen türkischen Menschenrechtsstiftung, die Istanbuler Rechtsmedizinerin Sebnem Korur Fincanci, am Mittwoch am Rande eines internationalen Rechtsmedizin-Symposiums in Düsseldorf der Deutschen Presse-Agentur. "Es gibt ernste Foltervorwürfe in Gefängnissen und auch in Untersuchungshaft."

Fincanci warnte zugleich davor, die Annäherung der Türkei an die Europäische Union aufzugeben. Der Annäherungsprozess habe auch zu neuen Auflagen für die Polizei und die Haftbedingungen in türkischen Gefängnissen geführt, wie etwa regelmäßige ärztliche Untersuchungen der Inhaftierten. "Es ist wichtig, eine Kraft von außen zu haben", sagte Fincanci.

Die Menschenrechtlerin war vergangenes Jahr wegen des Vorwurfs der Propaganda für die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK kurzzeitig festgenommen worden. Sie sei dennoch nicht wie viele andere Akademiker aus der Istanbuler Universität entlassen worden und dürfe sogar reisen, sagte sie.

In den überfüllten Gefängnissen seien Wächter angewiesen worden, besonders hart gegen inhaftierte mutmaßliche Anhänger des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen vorzugehen, den die Regierung für den Putschversuch vom Juli 2016 verantwortlich macht. Seien sie nicht brutal genug, dann würden die Wächter selber als Anhänger Gülens verdächtigt.

Auch inhaftierte Journalisten und Menschenrechtler seien von Repressionen betroffen. So bekämen sie nur begrenzt Zugang zu Büchern und Zeitungen und müssten Einschränkungen bei Besuchen von Freunden, Familienangehörigen und Anwälten erdulden. Derzeit befinden sich elf deutsche Staatsangehörige wegen des Verdachts politischer Straftaten in türkischer Haft, etwa wegen mutmaßlicher Unterstützung von Terroristen oder Putschisten.

Nicht immer bekämen Menschenrechtler Zutritt zu Bereichen, in denen es Foltervorwürfe gebe. Auch hätten freigelassene Folter-Überlebende meist zu viel Angst, sich an die Reha-Zentren ihrer Organisation zu wenden. Inzwischen habe sich ein Klima der Angst entwickelt. "Jeder der die Regierung kritisiert, ist von Verhaftung bedroht."

Fincanci gehört zu den Autorinnen des "Istanbul-Protokolls", das internationale Standards für die Begutachtung und Dokumentation von Folterspuren setzt und auch von den Vereinten Nationen angenommen wurde.