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Messenger-Dienst Staatstrojaner lesen WhatsApp mit

Das Parlament hat für ein neues Gesetz gestimmt, welches die Überwachung von Messenger-Diensten erlaubt.

22.06.2017, 18:02

Berlin (dpa) l Der Bundestag hat am Donnerstagnachmittag ein Gesetz zur Überwachung von Messenger-Diensten wie etwa WhatsApp verabschieden. Die Verschlüsselung soll dabei nicht angetastet werden.

Wie wollen die Ermittlungsbehörden die Kommunikation über Messenger-Dienste wie WhatsApp oder Telegramm überhaupt mitlesen, wo diese doch mit Komplett-Verschlüsselung werben?

Die Übermittlung zwischen Geräten der beteiligten Nutzer ist zwar so verschlüsselt, dass auch die Anbieter keinen Zugriff auf die Inhalte haben – aber die Nachrichten müssen ja auch von den Menschen geschrieben und gelesen werden. Dafür sind sie in entschlüsselter Form auf dem Bildschirm zu sehen – und genau hier wollen die Ermittler die Informationen abgreifen. Das nennt man Quellen-Telekommunikationsüberwachung („Quellen-TKÜ“).

Wie soll das funktionieren?

Mit einem Staatstrojaner, einer Software, die sich heimlich im Gerät einnistet und Daten an ihre Betreiber weitergibt. Technisch gesehen ist es die gleiche Vorgehensweise, zu der auch Online-Kriminelle greifen – nur eben in diesem Fall zur Aufklärung von Verbrechen.

Um welche Straftaten geht es dabei?

Nach einem Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts waren solche Eingriffe bisher auf Terrorismus-Ermittlungen beschränkt. Das neue Gesetz sieht eine deutliche breitere Liste mit Mord, Totschlag, Steuerdelikten, Computerbetrug, Hehlerei oder Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragsstellung vor. Ähnlich wie bei klassischen Abhörmaßnahmen soll die Online-Überwachung nur auf richterlichen Beschluss möglich sein.

Soll es dabei auch Hintertüren in der Verschlüsselung der Messenger-Dienste geben?

Nein, davon ist in Deutschland nicht die Rede. „Wir wollen, dass Messenger-Dienste eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung haben, damit die Kommunikation unbescholtener Bürger ungestört und sicher ist“, betonte Innenminister Thomas de Maizière jüngst dem „Tagesspiegel“.

Was sind die Risiken?

Um auf die Geräte zu kommen, müssen die Behörden Sicherheitslücken in ihrer Software kennen und ausnutzen können. IT-Sicherheitsexperten werden nicht müde, zu warnen, dass solche Schwachstellen, die man bewusst bestehen lässt, gefährlich sind, weil sie auch von Kriminellen entdeckt und missbraucht werden können.

Gibt es Beispiele dafür?

Gerade vor kurzem wurde eine ursprünglich von dem US-Abhördienst NSA entdeckte Sicherheitslücke im Windows-Betriebssystem für einen weltweiten Angriff mit dem Erpressungstrojaner „WannaCry“ ausgenutzt. Sie war nach einem Datenleck bei dem Geheimdienst öffentlich geworden.

Wie stellt man sicher, dass die Ermittler nur wie vorgesehen die laufende Kommunikation mitlesen können?

Dass man die Zugriffsmöglichkeiten schlecht einengen kann, sobald der Trojaner erst einmal auf einem Gerät installiert wurde, ist einer der Einwände von Kritikern des Plans. „Der Richtervorbehalt ist völlig unzureichend, um die Reichweite der Software zu kontrollieren und sicherzustellen, dass diese auch wieder abgeschaltet wird. Einem Richter fehlen dazu die technische Sachkunde und eine unabhängige Expertise“, sagte etwa der Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass die Pläne ohne größere öffentliche Debatte in ein langes Gesetz „zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens“ gesteckt wurden.

Wie einfach ist es überhaupt, einen solchen Trojaner zu platzieren?

Wie man in PCs eindringt, führen Online-Kriminelle tagtäglich vor. Moderne Smartphones wurden mit einer deutlich stärkeren Architektur versehen. Geräte mit dem meistgenutzten Mobil-System Android gelten unter Fachleuten als etwas leichter zu hacken, weil noch viele ältere Versionen der Software im Umlauf sind und die Telefone von vielen verschiedenen Herstellern gebaut werden, während Apple bei seinem iPhone Hardware und Software selbst unter Kontrolle hat.

Sicherheitslücken tauchten allerdings in der jüngsten Vergangenheit in beiden Betriebssystemen auf. Es gibt einen Markt für solche Schwachstellen, auf den auch Behörden zugreifen.