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Missbrauch  Kardinal muss sechs Jahre ins Gefängnis

Kardinal George Pell ist wegen sexuellen Missbrauchs zu sechs Jahren Haft verurteilt worden. Er hofft auf Berufung.

13.03.2019, 14:55

Melbourne (dpa) l Wegen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen ist der ehemalige Finanzchef des Vatikans, Kardinal George Pell, zu sechs Jahren Haft verurteilt worden. Der 77-jährige Australier nahm die Entscheidung eines Gerichts in Melbourne am Mittwoch ohne sichtbare Regung zur Kenntnis. Er streitet alle Vorwürfe bis heute ab. Der ehemalige Vertraute von Papst Franziskus geht gegen das Urteil in Berufung und hofft auf einen Freispruch.

Pell ist in der Geschichte der katholischen Kirche der ranghöchste Geistliche, der jemals wegen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen verurteilt wurde. Als Finanzchef war er praktisch die Nummer drei des Vatikans. Der Kirchenstaat will nun abwarten, was die Berufung bringt, bevor er über weitere Konsequenzen entscheidet. Möglich wäre, dass Pell seine Titel verliert und auch nicht Priester bleiben darf.

Der Kurienkardinal war bereits im Dezember von einem Geschworenengericht in Melbourne für schuldig befunden worden, 1996/97 zwei damals 13 Jahre alte Chorknaben missbraucht zu haben. Einen der Jungen zwang er nach Überzeugung des Gerichts zum Oralsex. Zu jener Zeit war Pell Erzbischof der australischen Millionenmetropole. Später machte er dann Karriere im Vatikan.

Mit seinem Urteil blieb der Vorsitzende Richter Peter Kidd deutlich unter der möglichen Höchststrafe von 50 Jahren. Strafmindernd wertete er unter anderem Pells Alter, seine Gesundheit und seine Lebensleistung. Er legte jedoch fest, dass der Geistliche frühestens nach drei Jahren und acht Monaten aus dem Gefängnis entlassen werden darf – also Ende 2023. Zudem wurde sein Name ins australische Register für Sexualstraftäter eingetragen.

Richter Kidd hielt Pell vor, seine einflussreiche Stellung missbraucht und Vertrauen gebrochen zu haben. Wörtlich sprach er von "atemberaubender Arroganz". Zugleich wies er Vorwürfe zurück, Australiens prominentester Katholik solle zum "Sündenbock" für Verfehlung der gesamten Kirche gemacht werden. In den vergangenen Jahrzehnten hatte es in Australien Zehntausende Missbrauchsfälle gegeben, was erst nach und nach ans Licht kam.

Die Verlesung des Urteils ließ der Richter über eine Kamera im Gerichtssaal live übertragen. Während des Prozesses hatte er eine extrem strike Nachrichtensperre verhängt, die praktisch jede Berichterstattung unmöglich machte. Anschließend wurde Pell von sechs Polizeibeamten aus dem Saal geführt und zurück ins Gefängnis gebracht. Dort sitzt er bereits seit Ende Februar. Der Kardinal und seine Anwälte gaben keinerlei Kommentar ab.

Von den beiden Chorknaben ist nur noch einer am Leben. Der heute 35 Jahre alte Mann – dessen Name vom Gericht nicht genannt wurde – war in dem Prozess der entscheidende Belastungszeuge. Er ließ am Mittwoch eine Erklärung verbreiten. Darin heißt es: "Alles wird überschattet von der bevorstehenden Berufung. Ich warte wie jeder Andere darauf, wie sie ausgeht."

Als Finanzchef war Pell praktisch die Nummer drei des Vatikans. Der Australier gehörte auch zu den engsten Beratern des Papstes. Wegen der Vorwürfe ließ er sich 2017 beurlauben. Offiziell war er als Finanzchef jedoch noch bis Februar im Amt. Der Vatikan hatte im vergangenen Monat erklärt, auf sofortige Konsequenzen zu verzichten. Der Kirchenstaat will das Berufungsverfahren abwarten. Pell ist also immer noch Priester und Kardinal.

Der Vatikan hat jedoch ein Verfahren eingeleitet. Der Fall wird nun von der Kongregation für die Glaubenslehre geprüft, einer Zentralbehörde der römisch-katholischen Kirche. Im Fall von Missbrauchsvorwürfen kann sie Untersuchungen einleiten, die im äußersten Fall zum Ausschluss eines Beschuldigten aus dem Priesterstand führen können. Dies ist die Höchststrafe in der katholischen Kirche.

Wegen weltweiter Missbrauchsskandale steht Papst Franziskus derzeit stark unter Druck, hart gegen Täter in den eigenen Reihen vorzugehen. Ein historisches Gipfeltreffen im Vatikan mit den Spitzen der Bischofskonferenzen der Welt ging Ende Februar allerdings ohne konkrete Maßnahmen zu Ende. Diese Woche beschäftigt sich auch die Deutsche Bischofskonferenz mit dem Thema Missbrauch.